Boxen ist Erholung
KÖLN Vitali Klitschko streicht sich über das Haar an seinen Schläfen. Da blitzen doch schon einige Graue. „Fritz hat mich angesteckt”, ulkt der Box-Weltmeister. Fritz, das ist Fritz Sdunek (63), der Klitschko seit 1996 trainiert, und dessen Haupthaar schon seit langem stahlgrau ist. „Ich fühle mich zwar wie Mitte 20, aber der Spiegel und mein Pass sagen mir etwas anderes”, erklärt Klitschko.
Sein Pass sagt ihm, dass er im Juli seinen 40. Geburtstag feiern wird. „Ich bin ein Box-Opa”, sagt Klitschko, der am Samstag (22.10 Uhr, RTL live) in der Köln Arena seinen Titel gegen den kubanischen Olympiasieger Odlanier Solis (30) verteidigen wird. „Aber Boxen ist für mich Erholung. Im Vergleich zu meinem politischen Leben geht das hier gesittet und anständig zu”, sagt Klitschko, der in seiner Heimat Ukraine eine eigene Partei namens Udar („Schlag”) gegründet hat, die die Demokratie weiter voranbringen soll.
Trotzdem: Ein Box-Methusalem will der Box-Opa nicht werden, Klitschko denkt immer öfter an das Karriereende, seine Frau Natalie macht Druck, die Mutter sowieso. „Ich weiß, dass es nicht ewig weitergeht, ich will nicht den Zeitpunkt verpassen, am Zenit abzutreten”, sagt Klitschko. Mit Trainer Sdunek hat er einen Pakt geschlossen. Der Coach muss Klitschko sofort sagen, wenn er das Gefühl hat, dass sein Schützling im Ring plötzlich „alt wird”. „Ich will nicht ein lebender Sandsack für junge Boxer werden, ich will nicht wie Evander Holyfield enden”, sagt Klitschko.
Holyfield, der einst das Schwergewicht dominierte, boxt – von Finanzproblemen getrieben – mit seinen 48 Jahren immer noch und ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Deswegen hat für den älteren der Klitschkos – Bruder Wladimir ist 34 – die Abschiedstournee begonnen. Jetzt der Kampf gegen Solis, danach wird es, wenn nichts Unerwartetes passiert, nur noch ein, zwei Kämpfe geben.
Im September wird Vitali in einem polnischen Fußballstadion gegen den ehemaligen Weltmeister Tomasz Adamek antreten. Ein Ukrainer gegen einen Polen in einem polnischen Stadion – das ist als Promotion für die Fußball-EM 2012 gedacht, die von beiden Nationen (Polen und Ukraine) gemeinsam ausgetragen wird. Für den Kampf werden über 60000 Fans erwartet. Klitschko selber sitzt im ukrainischen Organisationskomitee für die EM. Sollten sich nicht noch Großmaul David Haye oder der Box-Riese Nikolai Walujew dem Box-Regenten mit der Eisenfaust stellen, wäre der Adamek-Kampf der perfekte Karriere-Abschluss.
„Wenn ich diesmal aufhöre, wird es für immer sein”, sagt Klitschko, der 2005 aufgrund diverser Verletzungen zurückgetreten war, 2008 aber sein Comeback gab und gleich wieder den Titel holte. „Meine Frau kann es kaum erwarten, dass ich den Ring für immer verlasse.”
Trotz aller Erholung beim Boxen: Das Ende naht.
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