BMW in der Kers-Krise
Sportchef Mario Theissen wirkt angespannt. Die Fahrer haben Probleme mit der neuen Technik, die Teams sind sich uneins, und zu Hause erwartet der Vorstand Erfolge, die derzeit kaum möglich sind.
SEPANG Mario Theissen wirkt gehetzt in letzter Zeit. Der BMW-Sportchef lächelt weniger als sonst, er wirkt angespannt, beinahe nervös.
Verwunderlich ist das nicht. Theissen steht unter Druck. Und der kommt von allen seiten. Sein Vorstand will Siege und Titelkampf sehen. Und den Bossen in München ist es herzlich egal, ob der neue Brawn-Rennstall, der BMW-Sauber aus dem Nichts überflügelt zu haben scheint, nun illegale Diffusoren einsetzt oder nicht.
Theissen kämpft gleichzeitig aber als Mitglied und Wortführer der Teamvereinigung Fota mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone darum, künftig höhere Anteile an den Vermarktungsgeldern für die Teams zu bekommen. Und er muss Ecclestone und FIA-Chef Max Mosley davon überzeugen, dass die geplanten Regelwerksänderungen für die Werks-Rennställe einen zu großen Nachteil bringen würden.
Als wäre das nicht schon genug Stress, kränkelt auch noch ausgerechnet Theissens Lieblingsprojekt Kers. Das Bremsenergierückgewinnungssystem ist noch nicht völlig ausgereift, wiegt zudem zu viel. Aber Theissen braucht Kers, um seinen Bossen die Formel 1 als Technologiequelle für die Serie zu verkaufen. Und damit das BMW-Engagement in der Formel 1 zu rechtfertigen.
Kers ist derzeit Theissens größte Baustelle. In Melbourne etwa wunderte sich Nick Heidfeld, wieso er, trotz Kers und Powerknopf, nicht schneller war als sein Teamkollege Robert Kubica, der das System gewichtsbedingt nicht einsetzte. „Ich war auf den Geraden, obwohl ich 80 PS mehr hatte durch Kers, nicht schneller als Robert“, wunderte sich Heidfeld.
Am Freitag fuhr Heidfeld im freien Training vormittags mit Kers, nachmittags ohne. Beste Erkenntnis des Tages: Der Elektromotor lässt sich leicht ausbauen.
Theissen gilt als technik-gläubig, aber nun wundert er sich: „Ich hatte erwartet, dass die Energie-Rückgewinnung in Malaysia von größerem Vorteil sein würde." Aber die Simulation ergab etwas anderes. Das bedeutet, dass das System seine theoretischen Vorteile von zwei bis drei Zehntelsekunden pro Runde auf der Strecke nicht ausspielen kann.
Und solange das so ist, können die Serienentwickler bei BMW nicht viel anfangen mit den Erkenntnissen der Rennabteilung.
Aber auch ganz unabhängig von Kers schafft der neue BMW auf der Strecke noch nicht das erhoffte Tempo. „Ich glaube nicht, dass sich an den Kräfteverhältnissen im Vergleich zu Melbourne viel ändern wird“, sagte Kubica. Und da waren die BMWs hinter den Brawn-Boliden, Red Bull und Toyota höchstens vierte Kraft. Dass Kubica beim Auftaktrennen am Ende sogar noch Siegchancen hatte, lag an einer perfekten Strategie des Teams – und vor allem am Fahrer.
Vor allem die Überlegenheit der weißen Brawn-Flundern stört den schönen Titelplan des Münchner Rennstalls – auch, weil durch den Streit über die umstrittenen Doppeldiffusoren die Einheit der Teamvereinigung Fota plötzlich nicht mehr gegeben ist. „Ich habe in Australien gesagt, dass die generelle Ausrichtung der Team-Vereinigung Fota noch immer stimmt, selbst wenn es im Tagesgeschäft, wie bei der Auslegung der Diffusoren, unterschiedliche Auffassungen gibt“, sagt Theissen zwar, ergänzt dann aber widerwillig: „ Ich gebe allerdings zu, dass das nicht immer leicht ist zu trennen."
Falls das FIA-Berufungsgericht am 14. April in Paris die Diffusoren erlauben sollte (und davon ist nach Meinung vieler Insider auszugehen), werden Theissens Probleme bis zum dritten Rennen in Shanghai am 19. April nicht weniger werden. Bis dahin, so lässt Theissen durchblicken, werde sein Team den vorteilhafteren Diffusor, an dem bereits gebaut wird, kaum einsatzbereit haben.
Selbst dem wahrscheinlichen Regen in Malaysia sieht Theissen besorgt entgegen: „Dann fahren wir hier auf der Felge", sagt er in Anspielung auf die erwartete Wassertiefe.
Peter Hesseler