Biathlon-Männern fehlt mentale Stärke
Die deutschen Biathleten schwächeln vier Wochen vor den Olympischen Spielen in Sotschi. Bundestrainer Uwe Müssiggang kündigte eine Fehleranalyse an.
Ruhpolding – Am Tag nach dem enttäuschenden Heim-Weltcup in Ruhpolding begann bei den deutschen Biathleten die Fehleranalyse. "Wir müssen in den nächsten Tagen darüber nachdenken, was ursächlich dafür ist", sagte Chef-Bundestrainer Uwe Müssiggang nach dem Wochenende ohne Podestplätze in den Einzelwettbewerben: "Sind es die Nerven oder sind es die fehlenden Fähigkeiten?"
Letzteres schloss Müssiggang dann aber doch umgehend aus. "Im Training beweisen sie diese Fähigkeiten. Aber wir haben momentan nicht die mentale Stärke", sagte der 62-Jährige: "Keiner ragt oben heraus, es passt im Moment nicht." Knapp vier Wochen vor den Olympischen Spielen in Sotschi wächst deswegen zumindest im Umfeld die Sorge vor einem Debakel.
Bereits vor vier Jahren hatte es in Vancouver keine einzige Olympia-Medaille für die deutschen Männer gegeben. Das droht nun auch in Russland. Das Problem: Die Skijäger bekommen aktuell keine starke Lauf- und Schießleistung in einem Wettbewerb hin. "Wir wünschen uns diese Komplexleistung für den Weltcup in Antholz", sagte Müssiggang.
Bei der Olympia-Generalprobe in Italien sind ab Donnerstag Leistungssteigerungen dringend notwendig. In Ruhpolding war Simon Schempp (Uhingen) mit den Plätzen neun und elf im Einzel und in der Verfolgung noch der mit Abstand Beste. Im ganzen Winter holte Erik Lesser das bisher einzige Einzel-Podium der Mannschaft. Die Medaillen-Hoffnungen Andreas Birnbacher und Arnd Peiffer suchen noch nach ihrer Form.
Das nächste Problem: In den olympischen Einzelrennen scheinen Gold und Silber bereits vergeben. Wie bei der WM 2013 in Nove Mesto wird das große Duell zwischen dem elfmaligen Weltmeister Emil Hegle Svendsen (Norwegen) und Gesamtweltcup-Sieger Martin Fourcade (Frankreich) erwartet. "Das ist keine neue Situation für uns", sagte Müssiggang: "Wir wissen, dass es sehr schwer wird, wenn zwei Plätze schon besetzt sind, diesen einen Platz noch zu holen."
Ein mit Svendsen oder Fourcade vergleichbarer Athlet fehlt dem Deutschen Skiverband (DSV). Immerhin gab es bei den Frauen bis zu ihrem Rücktritt vor knapp zwei Jahren noch Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner. Die riesige Lücke, die Neuner hinterlassen hat, bringt auch für die Männer Probleme mit sich. Müssiggang: "Wir haben das viele Jahre erlebt mit einer Uschi Disl oder mit der Lena: Sie haben oben immer den ganzen Druck weggenommen. Im Schatten dieser Athleten konnte andere auch mal ein schlechteres Ergebnis wegstecken."
Das ist nun nicht mehr möglich. "Wenn man den Schutzschild weggenommen bekommt, dann steht man selbst im Fokus", sagte Müssiggang. Neuner war in Vancouver an vier von fünf deutschen Medaillen beteiligt, ohne sie ist die Situation trotz einiger positiver Entwicklungen bei den Frauen äußerst schwierig. Laut Zielkorridor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) soll es in Sotschi vier bis sechs Biathlon-Medaillen geben. Ein sehr ehrgeiziges Ziel.
Immerhin für die starken Staffeln scheint im Moment etwas möglich. Dort gab es für die Männer zwei, für die Frauen drei Podestplätze in drei Rennen. Aber in den Einzelkonkurrenzen? "Wenn man vorher nicht auf dem Podest gestanden hat, muss man realistisch rangehen und sagen: Wir kämpfen darum, haben es aber noch nicht geschafft", sagte Müssiggang: "Wir gehen nicht mit wilden Vorstellungen nach Sotschi."