Bekannter als daheim
Warum Timo Boll, Sascha Klein und Britta Heidemannm, die in Deutschland kaum einer kennt, in China so populär sind.
PEKING Mit so einem großen Empfang hatte Timo Boll dann doch nicht gerechnet. Dutzende Fans feierten ihn nach seiner Ankunft in Peking am Donnerstag mit „Timo, Timo“-Rufen wie einen Popstar. Die Polizei beschützte den Tischtennis-Europameister nach Leibeskräften, und sogar der Sportdirektor half als Bodyguard aus. In einer Menschentraube bahnte sich Boll schließlich den Weg aus dem Flughafen Pekings und stieg in den Bus, der ihn ins Olympische Dorf brachte. „Hoffentlich verletzt sich keiner. Da wird einem schon ein mulmig, wenn man sieht, was hier los ist“, meinte Boll.
Dabei hätte er es besser wissen können. Schließlich ist Boll in China schon seit Jahren ein Superstar. Der deutsche Tischtennis-Spieler gilt schließlich als einziger, der den dominierenden Chinesen gefährlich werden könnte. Und dafür verdient er allen erdenklichen Respekt. Meinen vor allem die Chinesen. „Ich möchte mal wie Timo werden“, sagte der 13-jährige Lu Zhi Yuan und präsentierte sein Boll-Autogramm stolz wie Oskar. Student Zhu Lu Wei harrte für ein Foto mit Boll Stunden am Flughafen aus hofft sogar, „dass er Gold gewinnt“.
Das Tischtennis-Ass ist nicht der einzige Deutsche, der im Olympia-Land populärer ist als daheim. Ähnlich wie Boll geht es in Peking derzeit auch Sascha Klein. Seit der Wasserspringer im Februar beim Weltcup in Peking die einheimischen Stars besiegte, ist auch der 22-Jährige, den sie hier respektvoll mit „Herr Klein“ anreden, in China ein Superstar. Und so muss Herr Klein aus Aachen in Peking ständig Autogrammeschreiben, mit Fans posieren und Interviews geben. „Hier bin ich bekannter als in Deutschland“, sagt er. Klein wird bei den Wettkämpfen die schwierigste Serie aller Athleten springen. „Der Junge ist unglaublich nervenstark. Wenn er seine Sprünge gut runterbringt, kann er ganz vorne sein“, sagt Walter Alt, der Wassersprung-Chef. Klein sei ein „wahrer Teufelskerl“.
Und natürlich haben sie in China auch Angst vor den Fremden aus Europa. Angst, dass Boll und Klein sie in ihren Paradedisziplinen Tischtennis und Wasserspringen besiegen könnten. Doch insgesamt überwiegt der Respekt. Vor allem, weil sich die Langnasen aus Europa stets freundlich und voller Respekt über China, über das Land, in dem sie Superstars sind, äußern.
Das gilt auch für Fechterin Britta Heidemann. Die ist die größte Goldhoffnung der deutschen Fechter – und nennt China ihre „zweite Heimat“. Schließlich studierte die Leverkuserin chinesische Regionalwissenschaften und spricht perfekt chinesisch. „Als 2001 die Olympischen Spiele an Peking vergeben wurden, war das eine riesige Motivation für mich“, erzählt sie. Gerade mal 14 war sie, als sie als Austauschschülerin zum ersten Mal in Peking war. Ihre Gasteltern nannten sie „Kleiner Mond.“ Das ist elf Jahre her. Mittlerweile war sie schon über 20 Mal in China, den Namen hat sie behalten. Anerkennung erwarb sie sich auch dadurch, dass sie nach dem Gewinn der Mannschafts-Bronzemedaille bei der WM 2006 in Turin in die chinesische Nationalhymne der Siegerinnen einstimmte.
Erik Eggers, Andreas Morbach
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