AZ-Report: Des Meisters menschliche Volleyball-Zielscheibe

So wird in der Champions League trainiert: AZ-Reporter Julian Galinski hat bei einer Übungseinheit mit den Spielern von Generali Haching um seine Gesundheit gefürchtet.
von  Abendzeitung
Wo ist der AZ-Reporter? Mannschaft und Trainer von Generali Haching, inklusive Gastspieler.
Wo ist der AZ-Reporter? Mannschaft und Trainer von Generali Haching, inklusive Gastspieler. © Sofianos Wagner

So wird in der Champions League trainiert: AZ-Reporter Julian Galinski hat bei einer Übungseinheit mit den Spielern von Generali Haching um seine Gesundheit gefürchtet.

Mihai Paduretu verzieht keine Miene, es kann Sadismus oder auch nur Neugier sein, als er sagt: „Und jetzt stellen Sie sich mal auf die andere Seite und nehmen ein paar Bälle an!“ Bälle annehmen, das heißt offenbar: zur menschlichen Zielscheibe zu werden. „Aber macht mal langsam!“, sagt der Trainer von Generali Haching zu seinen Spielern. Ich meine, ein leichtes diabolisches Grinsen in seinem Gesicht zu erkennen.

Als erstes bekommt Paul Carroll, Hachings australische Offensivwaffe, den Ball zugespielt und schmettert in meine Richtung. Von wegen langsam! Reflexartig drehe ich Kopf und Oberkörper zur Seite, um mir von Carrolls Geschoss keine blutige Nase zu holen. Wie kann man solche Bälle auch nur irgendwie kontrolliert zurückspielen?

Willkommen im täglichen Geschäft der Hachinger Volleyball-Profis! Und ich mittendrin, beim Training mit den Pokalfinalisten, auf die am Mittwoch in der Champions League mit Zenit Kasan eines der besten Teams der Welt wartet.

„Haben Sie denn schon mal Volleyball gespielt?“ hatte mich Paduretu vor dem Training gefragt. Naja, in der Jugend, auf Sandplätzen, ein paar Bälle hin und her geschlagen. Es hat als Qualifikation offenbar gereicht, ins Heiligtum geladen zu werden, die Umkleidekabine der Champions-League-Mannschaft: Sie ist von erstaunlicher Schlichtheit, als ob sich gerade die 3 B der Hachinger Grundschule für den Sportunterricht umgezogen hätte.

In der engen Umkleide steht auch eine Stereoanlage, die vor jedem Training die Atmosphäre befeuert. Da haben Branislav Skladany, Robert Hupka und Thomas Kmet das Sagen: Die drei Slowaken haben Hip-Hop in ihrer Landessprache aufgelegt. Wovon der Text handelt, wissen allerdings nur die drei, die auch während des Trainings gerne auf slowakisch scherzen – und fluchen.

Während des Aufwärmens wundere ich mich, dass Paduretu, der Vollblut-Volleyballer, meist still am Rand steht, kaum Kommandos gibt. „Er schreit fast nie, redet auch nicht viel“, erzählt Roy Friedrich. Paduretu straft sogar mit Schweigen: „Als wir mal richtig schlecht trainiert haben, hat er eine Stunde lang gar nichts gesagt“, so Friedrich.

Locker und spielerisch geht es weiter, mit einem Fußballmatch Jung gegen Alt. Ich darf mit 28 noch bei den Jungen mitspielen, Roko Sikiric, Leo dos Santos und Co. zeigen uns aber deutlich die Grenzen auf. Dos Santos’ brasilianisches Blut kommt auch mit Ball am Fuß deutlich in Wallung, er trickst wie ein Straßenfußballer. Und ich kriege gleich einmal einen Ball auf die Nase.

Dann holt Paduretu die Mannschaft zusammen und schiebt den Einkaufswagen mit den Bällen zu uns. Ich darf mich mit Max Günthör einspielen, dem Hachinger Kapitän und Nationalspieler. Der erklärt mir geduldig und gut gelaunt, wie das mit dem Pritschen („Arme gerade nach oben und mit den Zeigefingern und Daumen ein Dreieck bilden“) und Baggern („schön in die Knie gehen“) funktioniert. Meine Unterarme sind nach wenigen Minuten feuerrot und brennen bei jedem zurückgespielten Ball.

„Die Kunst ist es, gleichzeitig konzentriert und locker zu sein“, erklärt Paduretu, einerseits den Körper von den Füßen bis zu den Fingern in die richtige Position zu bringen, andererseits nur so viel Körperspannung aufzubauen, um noch die volle Kontrolle über den Ball zu haben.

Wir üben noch ein wenig Schmettern, hier scheitere ich an meinem verkrampften Handgelenk. „Schau dir Denis Kaliberda an“, sagt Günthör, „er hat ein Handgelenk wie eine Peitsche.“ In der Tat: Wenn Kaliberda auf den Ball haut, dann knallt es. Während dem Spiel auch oft beim Gegner. Mich trifft er einmal bei der Ballannahme am Oberschenkel: Es tut ziemlich weh. Jeden, der an Intensität und Härte des Volleyballsports zweifelt, lasse ich persönlich von Kaliberda unterrichten.

Später hat Paduretu genug Spaß gehabt, ich darf auf die Angreiferseite: Pritschen und schmettern. Ich spiele ordentlich zu, springe sogar ein wenig hoch und treffe ins andere Feld. „Jawoll!“, ruft Renaud Doué und hebt den Daumen. Ein Erfolgserlebnis zum Ende!

Später erfahre ich, dass Mihai Paduretu, der schweigende Meister, von meinem Volleyballspiel als Anfänger durchaus angetan war – sich aber über meinen kläglichen Auftritt als Fußballer ziemlich amüsiert hat.

Julian Galinski

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