AZ-Ausdauerserie: Alleine auf acht Rollen
Ausdauer-Serie in der AZ: Inlineskating. Was ist aus dem Sport geworden, der vor 20 Jahren noch Trend war? Wie passen Schuhe mit Rollen in die Stadt - kann man sich damit sehen lassen?
Was hast du denn da?“, fragt mich mein Kollege. „Inlineskates? Das ist aber ganz schon 90er!“
Damit bringt er auf den Punkt, warum ich mir für zwei Wochen wieder die Skates unter die Füße schnalle: Herauszufinden, was mit dem Inlineskating passiert ist, das einst Trend war: Macht das noch jemand? Macht das noch Spaß? Und auch sehr wichtig: Ist das vielleicht sogar noch cool?
Überaus motiviert mache ich mich gleich am ersten Tag mit meinen Test-Skates auf den Nachhauseweg aus der Redaktion. Weil es schon fortgeschritten dämmert, will ich mit der S-Bahn abkürzen.
Und stolpere auf dem Weg ins Untergeschoss eine Treppe herunter. Der Coolness-Faktor in diesem Moment – etwa minus eins. Ich lerne: Treppen sind der Feind. Anstatt elegant zu gleiten, hangele ich mich auch zu Hause im Treppenhaus mühsam herauf.
Und am nächsten Morgen wieder herunter. Ich fahre mit den Skates in die Arbeit, vom Isartor zum Hauptbahnhof. Immer wieder massiert mir Kopfsteinpflaster die Füße, allerdings nicht auf besonders angenehme Art und Weise. Aber ich merke: Wenn’s rollt, dann richtig. Ein tolles Gefühl – nicht so mühsam wie Laufen, nicht so altbekannt wie Radeln.
Nur bremsen kann ich nicht, den Bremsklotz hatte ich bei meinem Hockey-Skates als Jugendlicher abmontiert.
Deswegen brauche ich etwas Nachhilfe beim Experten – und gehe bei den nächsten Sonnenstrahlen in den Tagen darauf wieder raus: Bremsen üben. An der Isar geht’s flußabwärts, erst beschleunigen, dann Ferse in den Asphalt drücken – und tatsächlich koordiniert zum Stehen kommen.
An einer Ampel schauen mir zwei junge Frauen auf die Füße: „Boah, Inline Skates bin ich auch schon ewig nicht mehr gefahren“, sagt die eine. Und ich weiß nicht, ob das eine Erinnerung für sie oder Spott für mich ist.
Auf den fast freien Radwegen – erst später Vormittag unter der Woche – beherzige ich noch weitere Tipps: Tief in die Knie gehen, Oberkörper tief nach vorne neigen. Es wird richtig, richtig anstrengend. Aber nach den ersten hundert Metern mit hoher Geschwindigkeit begegne ich ein paar alten Bekannten wieder: Endorphine, die ich ich etwa beim Laufen schon lange vermisst habe.
Ich bin glücklich. Aber alleine, alleine auf acht Rollen.
Auch bei meinen Touren flussaufwärts (der Radweg ab der Reichenbrachbrücke Richtung Flaucher ist grandios glatt!) treffe ich keinen einzigen anderen Skater.
Meine Freundin und meine Freunde, die ich für den Sport begeistern will, lehnen alle mehr oder weniger dankend ab. Ein bisschen verstehe ich sie. Es gehört nun mal auch ein bisschen Mut dazu, mit einem Sportgerät unter den Füßen, das ganz offensichtlich als Relikt aus einer anderen Zeit gilt, unter die Leute zu gehen. Aber wahrscheinlich haben sie auch nie erlebt, wie der Wind um die Ohren pfeift, wenn die Oberschenkel brennen und man zugleich schwebt.
Einen einzigen anderen Skater treffe ich auf meinen Touren. Er trägt komplette Schutzausrüstung, von Helm bis zu den Knien. Die sollte ich mir besser auch besorgen – denn ich möchte weitermachen. Schließlich war nicht alles schlecht in den 90ern.
Julian Galinski
Die Inlineskates VO2 100 X Boa M wurden zum Test freundlicherweise von K2 zur Verfügung gestellt.