Attacke auf die Kanzlerin
BRISBANE - Andrea Petkovic, deutscher Shooting-Star, mischt die Szene auf - und will mal Andrea Merkel beerben.
Als sie nach den besten Wochen ihrer Karriere für einen Zwischenstopp in die Heimat kam, im Sommer 2009, da kriegte sie die volle Ladung des nörgelnden Deutschlands ab. „Viel Glück bei der Auslosung“ habe Andrea Petkovic gehabt beim ersten Turniersieg in Bad Gastein. „Wen hat sie denn geschlagen“, hieß es beim Halbfinaleinzug in Istanbul.
Darüber kann sie im nachhinein nur halb amüsiert, halb grimmig lachen, die muntere Darmstädterin, die im neuen Jahr gleich ein Ausrufezeichen gesetzt hat mit ihrem Halbfinaleinzug in Brisbane (6:2, 6:4 gegen Daniele Hantuchova) wo sie auf Kim Clijsters trifft: „Fast hätte mir ja was gefehlt, wenn ich so was nicht zu hören gekriegt hätte.“ Und dann stellt die 22-jährige mal kurz klar, was von diesen „ewigen Stimmen im Hintergrund“ zu halten ist: „Wo stand ich vor gut einem Jahr? Auf Platz Fünf. Hundert. Siebzig.“ Also will sie nun auch die letzten Kritikaster ruhig stellen. „Ich werde die Leute, die dauernd was zu beanstanden haben, zum Verstummen bringen.“
Sie ist aber sowieso schon jetzt die Frau der Stunde im deutschen Damentennis und eine der ganz großen Tour-Aufsteigerinnen der letzten Wochen und Monate, mit ihrem Sprung aus dem Niemandsland der Weltrangliste bis hinauf an die Top 50-Grenze. „Andrea kann dieses Jahr auch die Top 30 knacken, sie hat das drauf“, sagt Fed Cup-Trainerin Barbara Rittner, die Petkovic wohl als zweite Einzelspielerin neben Sabine Lisicki ins Team für das Fed-Cup-Viertelfinale gegen Tschechien Anfang Februar in Brünn berufen dürfte.
"Um Platz 100 rumzukrebsen, ist reine Zeitverschwendung"
Dabei war die hübsche Südhessin, die sich selbst als einzige „Tennis-Rock’n-Rollerin“ auf die Schippe nimmt, noch vor 24 Monaten im tiefen Tal der Tränen. Es war am 15. Januar 2008 in Melbourne, als Petkovic jäh ins Elend stürzte. Im Erstrundenspiel gegen die Russin Anna Tschakwetadse verdreht sich Petkovic auf dem stumpfen Hartplatz das Bein, geht mit einem lauten Schmerzensschrei zu Boden. Die niederschmetternde Diagnose: Kreuzbandriss. „So einen Moment, so etwas wünschst du nicht mal deinem größten Feind“, sagt sie rückblickend. „Dass ich das alles so gut gemeistert und weggesteckt habe, war eine ganz wichtige Erfahrung.“ Sie habe immer gespürt, so Petkovic, „dass ich weiter nach vorne gehöre im Tennis. Um Platz 100 herumzukrebsen, ist reine Zeitverschwendung", sagt sie.
Tennis spielt noch die zentrale Rolle für Andrea Petkovic, diese ungewöhnliche Einundzwanzigjährige, die einst ihr Abitur am Büchner-Gymnasium in Darmstadt mit der Traumnote 1,2 ablegte, die in erfrischenden Blogs für eine Zeitung für kluge Köpfe wie eine Profijournalistin übers Tourleben berichtet, die am liebsten Klassiker von Johann Wolfgang von Goethe, Schiller oder Dostojewski verschlingt, die nebenbei noch Politik studiert an der Fern-Uni Hagen und mal eben trocken verkündet, Berufswunsch könne auch noch mal Bundeskanzlerin werden („Achtung Bundeskanzlerin Angela Merkel“).
Sie genießt gerade ihren beschwingten Vormarsch in die Weltspitze, aber sie hat immer im Hinterkopf, wie schnell sich alles ändern kann. Deshalb hält sie sich auch klar vor Augen: „Zuviel Zeit lassen mit den eigenen Zielen, das ist gefährlich.“
Jörg Allmeroth
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