Alkohol, Essen, Sex, Geld
Sind Handball-Schiris bestechlich? Und wenn ja, womit? Ein Insider liefert kuriose und erschütternde Einblicke.
HAMBURG Dass es ums Schiedsrichterwesen im internationalen Handball nicht sonderlich gut bestellt ist, ist nicht neu: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Sachen Bestechung beim Champions-League-Sieger THW Kiel, die suspendierten deutschen Topschiedsrichter Frank Lemme/Bernd Ullrich aus Magdeburg... Nun hat erstmals ein Top-Referee die Praktiken im internationalen Handball-Geschäft ausgeplaudert.
Sind Handball-Schiedsrichter bestechlich? „Da gibt es die Linie Alkohol, die Linie Essen, die Linie Frauen – oder die Linie Geld. Je nachdem, wie empfänglich der Schiedsrichter für solche Geschenke oder zuvorkommende Behandlungen ist, hat man dann versucht, das auch zu realisieren“, sagte der Schweizer Schiedsrichter Michel Falcone (49) im NDR.
Der Eidgenosse hatte 2006 nach 26 Jahren seine Laufbahn, in der er mit Partner Felix Rätz über 300 internationale Spiele geleitet hatte, beendet. Nach dem Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe vor etwa drei Wochen sprach Falcone Klartext. „Mit Schweigen macht man sich nur als Mittäter strafbar“, sagte der Referee und betonte, dass die Einflussnahme bereits zu Hause beginnt: „Ich habe schon Telefongespräche erhalten von Kollegen oder auch Funktionären eines Landes, wo ich gerade hinreisen sollte, die mir dann mitgeteilt haben, machen sie sich da eine Liste, wir können da gewisse Sachen für sie erledigen.“ Lasse man sich als Unparteiischer darauf nicht ein, gebe es nur zwei Richtungen: „Sie machen entweder freundlich weiter oder sie werden aggressiv. Konkret haben wir das auch an unserem Leib erfahren, dass wir eigentlich flüchten mussten nach einem Spiel, wo die Sicherheitskräfte quasi auf uns losgingen und uns nicht beschützt haben. Und auch der dritte Mann hat uns nicht beschützt. Im Gegenteil, er hat uns dann Vorwürfe gemacht.“
Der Schweizer erklärte zudem, dass er diese Manipulationsversuche der Europäischen Handball-Föderation (EHF) gemeldet habe. Der EHF wirft Falcone Tatenlosigkeit vor: „Da hatten wir dann das Gefühl, dass wir nach diesen Meldungen nicht mehr eingesetzt wurden, das heißt, kein Einsatz ist für einen Schiedsrichter wie eine Strafe.“
Die EHF in die Pflicht nahm nun auch Handball-Bundestrainer Heiner Brand. „Es geht um Transparenz, es geht um Aufklärung, und es müssen Lösungen für die Zukunft gefunden und entwickelt werden“, sagte der Coach. Entsprechend sei nun eine konsequente Aufarbeitung aller möglichen Manipulationsfälle nötig. „Wir brauchen Klarheit, was wirklich passiert ist. Ich hoffe noch immer, dass sich einiges nicht als wahr herausstellt“, erklärte Brand, „aber sonst müssen die Leute bestraft werden – und dann geht es weiter.“