Abspecken für Peking

LUDWIGSHAFEN - Alexandra Engelhardt, die gelernte Konditorin wurde beim Geburtstag ihres Sohnes Felix (3) von der Nominierung überrascht – und muss seitdem Diät halten.
Der Moment war denkbar ungünstig. Im Wohnzimmer saß am 23. Juli nicht nur der Felix, der kleine Jubilar, sondern auch die ganze Verwandtschaft. Rund 20 Leute, die darauf warteten, dass Alexandra Engelhardt endlich aus der Küche anrückt, mit den drei Kuchen und Torten für den dritten Geburtstag ihres Sohnes. Ein Sandkuchen in Lokomotivform, eine Bananen- und eine Johannesbeertorte. Die letzten beiden natürlich mit ordentlich Sahne.
Gelernt ist gelernt, schließlich ist die 25-Jährige Konditorin, doch mitten beim Verzieren des Gebäcks klingelte plötzlich das Telefon, der Anruf kam vom Deutschen Ringerbund. Um mitzuteilen, dass Engelhardt jetzt doch mitfahren darf zu Olympia nach Peking.
„Danach war ich nicht mehr ansprechbar“, sagt Engelhardt. Denn die Nominierung hatte massive Konsequenzen. Nicht nur weil Familie Engelhardt den geplanten Sommerurlaub an der Ostsee stornieren musste, sondern auch weil sich Engelhardt gleich mal bremsen musste, als die Gäste und der dreijährige Bub über den Kuchen und die Torten herfielen. „Ich habe mich da vorsichtshalber zurückgehalten.“ Denn für Engelhardt begann da bereits die Diät. Um noch die acht Kilo abzuspecken. Für das nötige Kampfgewicht von 48 Kilo. Fasten für Olympia, für ihren Kindheitstraum.
In München geboren, fing sie mit zwölf an, ihre Gegnerinnen aufs Kreuz zu legen. Später zog sie mit ihrem Mann Peter, einem Nürnberger Ringer, in den Westen, ging zur KSG Ludwigshafen und feierte große Erfolge. EM-Bronze 2003, und nach der Babypause folgten Silber bei der Europameisterschaft 2006 un die Deutsche Meisterschaft 2007.
Beim Qualifikationsturnier für Peking wurde sie Dritte. Eigentlich zu wenig. Das Olympiaticket gab es aber nur für die zwei Besten. Dazu kam ein Nasenbeinbruch vor zwei Monaten in Österreich. „An Peking habe ich gar nicht mehr gedacht“, sagt Engelhardt, „darum habe ich nicht mehr auf mein Gewicht geschaut.“ Was sich jetzt bitter rächt.
Denn urplötzlich bekam der Deutsche Ringerbund nach einer Entscheidung des Weltverbands einen zusätzlichen Quotenplatz. Überraschend auch für den Deutschen Olympischen Sportbund, der das 456 Seiten dicke Buch mit der offiziellen Mannschaft für Peking da bereits in Druck gegeben hatte. Engelhardt, Alexandra hätte da bei den Ringern auf Seite 245 gestanden. Zwischen Bichinaschwilli, David, dem eingebürgerten Freistil-Georgier, und Englich, Mirko, dem griechisch-römischen Feuerwehrmann aus Witten.
Aber vielleicht steht sie ja dann nach Peking bei den deutschen Medaillengewinnern auf der Liste, die dann wesentlich übersichtlicher sein wird als der dicke Wälzer jetzt.
Der Felix bleibt zwar daheim bei der Oma, der Mann aber kommt mit zum Anfeuern nach China. „Wenn Alexandra Bronze holen würde“, sagte Bundestrainer Jürgen Scheibe, „dann wäre das schon wie Gold.“ Wenn sie auf dem Podium steht.
Derzeit steht sie aber erst auf der Waage. Zehnmal am Tag, wie sie sagt. Die ersten drei Kilo hat sie inzwischen schon unten, dank einer Ernährung mit Fisch und Salat – und ohne Fett und Kohlenhydrate. „Ich krieg das schon hin“, sagt sie. Zeit hat sie ja noch. Bis 16. August.
Bis London 2012 will die Sportsoldatin dann noch weitermachen mit dem Ringen, danach wieder als Konditorin arbeiten. „Dann ziehen wir auch wieder zurück nach Bayern“, sagt sie. Entweder nach Nürnberg, der Heimat vom Mann, oder in die eigenen, nach München.
Spätestens dann darf sie ungehemmt reinhauen. Bei den Torten mit ganz viel Sahne. Spätestens am achten Geburtstag vom Felix.
Florian Kinast