30 Jahre nach Noah: Die Herzen schlagen für Jo
Die Franzosen hoffen: Zwei Spiele und zwei Siege für Tsonga und sein Tennis-Halleluja
PARIS Am Dienstag war er mal wieder zu Gast in den feinen Hallen von Roland Garros, der Straßenkämpfer vergangener Tennis-Tage. Der Mann, der den Franzosen vor 30 Jahren einen der größten Momente lieferte, als junger, strahlender French-Open-Champion. Und als ob das Schicksal Regie geführt hätte, kam Yannick Noah genau rechtzeitig, um den Sensationscoup eines seiner Erben mitzuverfolgen, den Drei-Satz-Sieg des wirbelnden Jo-Wilfried Tsonga gegen Maestro Roger Federer.
Ist also 2013 wieder so ein besonderes Jahr, ein französisches Jahr unterm Eiffelturm, so wie 1983, als Noah den Schweden Mats Wilander vom Platz fegte wie ein Wirbelwind? „Es ist eine Riesenaufgabe für Jo, eine fast unwahrscheinliche Mission", sagt Noah, heute ein erfolgreicher Rock- und Reggaesänger, „aber vielleicht kann ihn die Stimmung hier zum Triumph mitreißen, vielleicht hört er die Herzen der Fans, die für ihn schlagen."
Es sind die wichtigsten Tage seiner Tennis-Karriere für Tsonga, den feurigen Kämpfertypen – weltweit als „Tennis-Ali” ein Begriff, weil seine Gesichtszüge denen des einstigen Box-Meisters aller Klassen so frappierend ähneln. Zwei Spiele und zwei Siege für ein Tennis-Halleluja mit Tsonga, das ist das Szenario, von dem die Grande Nation träumt. Kann Tsonga im Halbfinale den spanischen Dauerrenner David Ferrer in den Ringstaub zwinge? Könnte er dann im Finale einen der beiden Giganten ausbremsen, Novak Djokovic, die Nummer 1 der Welt, oder Rafael Nadal, den siebenmaligen Champ? „Ich glaube daran. Ich glaube, dass sich die harte Arbeit, die ich leiste, auszahlen kann", sagt Tsonga, ganz der furchtlose Streiter, der er auch auf dem Centre Clourt ist.
Dabei wirkt der Hoffnungsträger der Franzosen, den die Sportbibel „L`Equipe" als „starken Menschenfänger" porträtierte, keineswegs nur wie einer, der von seiner überschießenden Leidenschaft lebt. Von Emotion, Sturm und Drang. Denn seit der Topathlet mit der Boxerstatur nur noch mit bedingter Angriffslust spielt, trägt es ihn in der Weltrangliste immer weiter nach vorne, schon einmal bis auf Platz 5. „Mir war immer klar, dass er alles erreichen kann - wenn er richtiges taktisches Gespür für dieses Spiel entwickeln wird", hat Frankreichs Davis Cup-Kapitän Guy Forget über den besten Spieler aus seiner Streitmacht gesagt.
Tsonga ist kein Magier wie Roger Federer, kein Trickspieler wie Djokovic. Aber er hat einen mächtigen Aufschlag, eine noch mächtigere Vorhand - und flitzt wie ein Irrwisch auf dem Centre Court umher. Ein schwergewichtiger Typ, der dabei so leichtfüßig wie Ali ist. Er sei kein „Ronaldinho", sagt Tsonga selbst, „sondern eher einer wie Didier Drogba."
„Mein Spiel hat inzwischen mehr Elemente. Und mehr mehr Sinn und Verstand", sagt der Sohn eines kongolesischen Tophandballers und einer französischen Lehrerin, „ich bin erwachsen geworden in meinem Beruf." Tsonga ist unberechenbarer für seine Gegenspieler, mixt seine Aktionen mit Stopps, Lobs und Tempowechseln. Ein Spieler, der Eleganz und Power selbstverständlich verband, getreu dem Ali-Motto: Schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene.
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