So macht Stress ihr Herz kaputt
Sie ist Münchens bekannteste Ärztin: Dr. Marianne Koch. In der neuen AZ-Serie erklärt sie, wie man das Risiko von Herzkrankheiten verringern kann.
Heute: Das gebrochene Herz
Dieses Phänomen hat die Wissenschaft und Medizin erst in den letzten Jahren erkannt und begriffen. Dabei wusste es der Volksmund schon seit Jahrhunderten, dass es Ereignisse im Leben eines Menschen geben kann, die einem das Herz brechen. Heute sprechen Kardiologen weltweit ganz offiziell vom Broken-Heart-Syndrom.
Das Phänomen des gebrochenen Herzens ist nur eines von vielen der aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse über „Das Wunderwerk Herz“ (siehe unten), das die bekannte Ärztin, Medizinjournalistin und AZ-Kolumnistin Marianne Koch in ihrem neuesten Buch faszinierend, anschaulich und vor allem für alle verständlich beschreibt.
Zum Beispiel die dramatische Krankengeschichte einer Lehrerin, die eigentlich ihr Leben lang gesund gewesen ist: Zugegeben, der Tag war für die 57-Jährige etwas turbulent gestartet. Am Morgen hatte die erfahrene Lehrerin eine unangenehme Auseinandersetzung mit den Eltern eines Schülers gehabt. Ständiger Stress war für sie jedoch nichts Neues. Doch diesmal wurde sie von dem Vater des Buben sogar körperlich bedroht. Kurz danach begannen die Schmerzen im Brustkorb. Als sie am Abend nach Hause kam, erschrak ihr Mann. Kurz darauf rief er den Notarzt: Der Blutdruck seiner Frau hatte beim Messen nur noch 80 zu 60 angezeigt – bei einem Puls von 110 Schlägen pro Minute. Verdacht auf Herzinfarkt!
War es ein Herzinfarkt?
„Doch dann kam die Überraschung“, sagt Marianne Koch: „Die Herzkranzgefäße der Lehrerin waren völlig in Ordnung.“ Bei einer weiteren Untersuchung , bei der Kontrastmittel in die Herzkammer geleitet wurden, bot sich den Ärzten ein sehr merkwürdiges Bild: „Die Herzkammer war auf eigenartige Weise verformt und wies am unteren Ende eine ballonförmige Erweiterung auf“, so Koch. Doch damit war das mysteriöse Herzversagen ohne typischen Befund erklärbar: „Der Herzmuskel verharrte plötzlich in einer Art Schockstarre und pumpte nur noch mit minimaler Kraft Blut in die Gefäße der Frau“, erklärt Koch.
„Dieses Phänomen des schockkranken Herzens, bei dem im Zustand absoluter Gesundheit durch plötzlich auftretende Angst, Panik, Trauer, Extremtraumatisierung nach einer schrecklichen Gewalterfahrung, starke Verzweiflung oder eine andere Form von extremen Stress eine lebensbedrohliche Funktionsstörung des Herzens einsetzt, ist erst seit kurzer Zeit bekannt.“ Kardiologen und Herzexperten nennen diesen Zustand „Stress-Kardiomyopathie“.
So beschreiben Mediziner das "gebrochene Herz"
Als erstes haben japanische Ärzte den Zustand eines gebrochenen Herzens beschrieben: „Bei unerträglichen Gefühlsstürmen, zum Beispiel bei der Trennung oder dem Tod eines geliebten Menschen können sogar so schwerwiegende Funktionsstörungen des Herzens auftreten, dass der Kreislauf zusammen bricht und der Tod durch Schock eintritt“, warnt Koch. „Das passiert jedoch glücklicherweise sehr selten“.
Da das „gebrochene Herz“ jedoch erst seit ein paar Jahren bekannt ist, rechnen Herzexperten mit einer viel höheren Dunkelziffer. Deshalb sollte man gerade in psychischen Extremsituationen Beschwerden wie Brustschmerzen oder Herzstechen nicht ignorieren, sondern schnell handeln: „Werden die Betroffenen sofort intensivmedizinisch in einer Herzklinik betreut, kann sich die Seele wieder beruhigen und die Patienten sind in der Regel nach vier bis sechs Wochen wieder gesund – zumindest körperlich“, sagt Koch. Doch danach ist meist eine ganzheitliche Behandlung notwendig von einer Psychotherapie bis zur Lebensumstellung (siehe unten).
Übrigens gibt es auch eine wissenschaftliche Erklärung für das Broken-Heart-Syndrom. „Früher dachte man, dass alles, was das Wesen des Menschen ausmacht, im Herzen verankert ist. Inzwischen wissen wir, dass unser Geist und die Seele eine Leistung des Gehirns ist“, erklärt Koch: „Erst viel später haben Forscher die Verbindung zwischen Gehirn und Herz, die auf unzähligen Nervenbahnen, aber auch mit hormonellen Einflüssen verbunden sind, untersucht.“ Seitdem ist klar: Neben dem Broken-Heart-Syndrom sind besonders die Herzen von Menschen mit Depressionen, Altagsstress, Liebeskummer und Panikattacken gesundheitlich gefährdet.
"Das Herz-Buch" von Dr. Marianne Koch
Sie hatte bereits den Bundesfilmpreis gewonnen und in Hollywood standen ihr alle Türen offen: Trotzdem gab Dr. Marianne Koch ihre Filmkarriere auf und wurde Internistin: Jahrzehntelang kümmerte sie sich als Internistin um das Wohl ihrer Patienten. Nebenbei arbeitete sie als Fernsehmoderatorin und bis Sommer 2011 als Präsidentin der Deutschen Schmerzliga. Doch ganz besonders hat die Ärztin immer das „Wunderwerk Herz“ fasziniert: In ihrem neuen Buch unternimmt Marianne Koch auf 240 Seiten eine faszinierende Reise zum Mittelpunkt des Körpers: „Das Herz-Buch“ ist am 1. August im Deutschen Taschenbuchverlag (dtv) erschienen (vierfarbig illustriert, 14,90 ).
So entschleunigen Sie ihr Leben!
Das moderne Leben wird immer hektischer: Marianne Koch fordert eine Gegenbewegung: Die Beschleunigung des täglichen Lebens hat uns alle ergriffen – sie ist eine der größten Gefahren für unser Herz“, warnt die Ärztin und Medizinjournalistin Marianne Koch. Alles muss schnell funktionieren: Die Schule, das Studium, die Kommunikation mit Freunden: „Freie Entfaltung, neue Ideen oder auch mal Spaß am Lernen? Fehlanzeige“, kritisiert die AZ-Expertin.
Wer ständig unter Stress steht, der gefährdet sein Herz extrem stark. „Psychologen haben herausgefunden, dass es neben den Menschen , die an einer Depression leiden, drei Persönlichkeitstypen gibt, deren Herz besonders gefährdet ist“, erklärt Dr. Marianne Koch in ihrem Buch:
- Die Aggressiven, die eher grimmig in die Welt schauen, sich „nichts gefallen lassen“ und ständig glauben, sich verteidigen zu müssen.
- Die Überforderten mit einer Alltagsdepression, denen man ansieht, dass sie in einem Hamsterrad strampeln, und die nicht mehr daran glauben, ihr Leben noch mal in den Griff zu bekommen.
- Die Hochmotivierten, die extrem leistungsorientiert und stolz auf ihre Tüchtigkeit sind und ihre 70-Stunden-Woche zur Bestätigung ihres Selbstwertes brauchen.
Der Rat von Dr. Marianne Koch an alle Gestressten und Gehetzten: „Entschleunigen Sie ihr Leben!“ Folgende Methoden sind für die Stressbewältigung besonders geeignet: Autogenes Training, Feldenkrais, Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen Qigong und Tai Chi. Kurse bietet zum Beispiel die Münchner Volkshochschule an.
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