Neue Finanztransaktionssteuer - wer zahlt die Zeche

Die Finanztransaktionssteuer soll 2014 kommen. Das könnte für Kleinanleger teuer werden, behauptet die Fondsgesellschaft Union Investment. Finanzexperten und die EU sehen das anders
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Eine neue Steuer soll die Aktien-Spekulation eindämmen. Aber am Ende zahlen womöglich die Sparer.

MÜNCHEN In der Bankenkrise haben Staaten die Banken gerettet. Jetzt sind die Staaten in der Krise – und die Banken spekulieren wie früher. Das soll sich ändern, sagt die EU: Die Banken sollen sich an der Euro-Rettung beteiligen. Deshalb soll die Finanztransaktionssteuer (FTS) kommen – voraussichtlich Anfang 2014. Doch: Trifft die Steuer wirklich nur große Spekulierer? Oder am Ende die Sparer? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was genau besteuert die Finanztransaktionssteuer? Alle Geschäfte von Finanzinstituten wie Banken, Versicherungen, Hedge-Fonds. Der Wertpapierhandel wird mit 0,1 Prozent des Marktpreises besteuert, Derivatehandel und Finanzmarktwetten mit 0,01 Prozent des Wertes, der dem Geschäft zugrunde liegt.

Was wird nicht besteuert? Wenn Sie als Privatverbraucher einen Kredit aufnehmen wollen oder einen Versicherungsvertrag oder einen Banksparplan abschließen, müssen Sie keine Steuer zahlen. Dasselbe gilt für kleine und mittelständische Unternehmen. Wann soll die Steuer kommen und wer macht mit? Zum 1. Januar 2014. Allerdings weigern sich mehrere EU-Länder wie Großbritannien, Polen und Tschechien mitzumachen. Insgesamt sind nur elf von 27 EU-Staaten mit im Boot, nur dort wird die Steuer auch eingeführt. Kritiker warnen deshalb davor, dass Börsengeschäfte zum Beispiel von Frankfurt nach London abwandern.

Was ist mit Riester-Fonds und Lebensversicherungen? Viele Altersvorsorge-Modelle arbeiten mit Finanz-Transaktionen. Zum Beispiel langfristige Sparpläne oder Riester-Fonds, die ihr Portfolio immer wieder umschichten. Riestersparpläne, die nur den Dax abbilden, sind dagegen nicht betroffen.

Wie teuer könnte die Steuer kommen? Die Union Investment, die Gesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken hat eine Beispielrechnung aufgestellt. Ein Fondssparer, der 40 Jahre lang monatlich 100 Euro einzahlt, kommt danach bei einer fünfprozentigen Rendite auf 148856 Euro Endvermögen. Geht man davon aus, dass der Fonds jedes Jahr zu 90 Prozent umgeschichtet wird, und wendet man dann die Finanztransaktionssteuer an, verliert der Sparer insgesamt 9,5 Prozent. Das wären satte 14205 Euro. Die Deka, die Fondsgesellschaft der Sparkassen, möchte auf AZ-Anfrage noch keine Aussage über Kosten treffen.

Aber es gibt auch andere Rechnungen. Der Kölner Finanzwissenschaftler Max Otte sagt: Selbst bei einer Umschichtung von 100 Prozent des Fondsvermögens würde für den Sparer jährlich nur eine Steuer-Belastung von 0,05 Prozent anfallen. Bei einer jährlichen Einzahlsumme von 1200 Euro, einer Laufzeit von 20 Jahren und fünf Prozent Rendite wären entstehe ein Gesamtminus von 74,22 Euro für den Sparer. Das wäre also deutlich weniger, als Union Investment veranschlagt.

Und was sagt die EU-Kommission dazu? „Die Kommission glaubt nicht, dass es negative Auswirkungen auf Kleinsparer und Rentner geben wird“, sagt Manfred Bergmann, der Leiter der Brüsseler Direktion Indirekte Steuern und Steuerverwaltung, zur AZ. „Zum einen stehen den potenziell kostensteigernden Effekten der Steuer für die Fondsmanager starke kostensenkende Effekte gegenüber.“ Einige Geschäftsmodelle, die sich bisher nachteilig auf die Ergebnisse der Rentenfonds ausgewirkt hätten, wie zum Beispiel der Hochfrequenzhandel oder der Eigenhandel von Brokern und Banken, würde zurückgedrängt. „Zum anderen werden die sehr aktiven Fonds selbst ihr Geschäftsmodell auch im Interesse der Kleinsparer und Rentner ändern, indem sie ihre sehr kostspieligen Finanzmarktaktivitäten reduzieren werden, um im Wettbewerb mit konservativen Fonds und kostenlosen Bausparplänen bestehen zu können.“

Welche Wirkung erhofft sich die EU-Kommission? Ökonom Bergmann, der den Kommissionsvorschlag zur Transaktionssteuer gemeinsam mit 80 Kollegen erarbeitet hat, vergleicht die Finanztransaktionssteuer mit einer roten Ampel: „Wenn Sie als Autofahrer auf eine Kreuzung zufahren, die neuerdings mit einer Ampelanlage geregelt wird, dann werden Sie ja auch nicht einfach über diese Kreuzung fahren, auch wenn die Ampel auf Rot steht, nur weil Ihre Straße in der Vergangenheit die Vorfahrtstraße war. Ähnliches erwarten wir auch von den Investoren: Sie werden ihr Geschäftsmodell an die Steuer anpassen.“ Eine Hoffnung hat Bergmann: „Wenn im ,modernen’ Investmentbanking die Profite aus den Finanzmarktwetten nicht mehr so hoch sind, weil jetzt eine Steuer gezahlt werden muss, dann wird das erst einmal vornehmlich Auswirkungen auf die Boni der Banker haben, nicht aber auf die Rendite der Kleinsparer oder Rentner. Ich bin überzeugt: Wenn irgendeine Steuer im Finanzsektor hängenbleibt, dann die Finanztransaktionssteuer.“Annette Zoch

 

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