Mieter-Horror Eigenbedarf

Der Boom auf dem Münchner Immobilienmarkt verlockt Vermieter zu unlauteren Mitteln: Mit vorgetäuschtem Eigenbedarf werden immer mehr Mieter rausgekündigt. Was man tun kann
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Der Boom auf dem Münchner Immobilienmarkt verlockt Vermieter zu unlauteren Mitteln: Mit vorgetäuschtem Eigenbedarf werden immer mehr Mieter rausgekündigt. Was man tun kann

MÜNCHEN Eigenbedarfskündigungen sind oft das einzige Mittel für Vermieter, Mieter aus ihrer Wohnung zu kriegen. Entsprechend groß ist die Versuchung zum Missbrauch – mit wachsender Tendenz. Die AZ zeigt, in welchen Fällen sich Mieter wehren können – und wie.

Weil Annegret Schumann (Name geändert) schon zweimal wegen Eigenbedarfs aus ihrer Wohnung gekündigt wurde, wollte sie es schriftlich: Ihre neue Wohnung in Sendling hätte sie gerne auf Dauer behalten. Die Vermieter, ein wohlhabendes älteres Ehepaar, beruhigten sie: Eigenbedarf gäbe es nicht, und wenn, hätten sie auch noch anderen Wohnraum zur Verfügung. Nach drei Jahren war es dennoch soweit: Eigenbedarfskündigung. Die Vermieterin könne die Treppen zur Wohnung im zweiten Stock nicht mehr steigen.

Das war vielleicht nicht einmal falsch: Nur war Annegret Schumanns Wohnung viel bescheidener als die Wohnung der Vermieter, und so gab es sofort erhebliche Zweifel, ob die Vermieter wirklich selbst dort einziehen wollen. Die Wohnung wurde offenbar aus einem anderen Grund gekündigt: Weil sie geräumt einen viel höheren Preis erzielt. Also Eigenbedarf ja, allerdings nur an Geld. Die Vermieter sind dann auch in eine andere Wohnung umgezogen.

Anja Franz vom Mieterverein München klagt: „Die Fälle haben zugenommen. Nicht die von ernst gemeintem Eigenbedarf – die Zahl ist genauso hoch wie früher. Aber vorgetäuschter Eigenbedarf kommt jetzt öfter vor, wegen der Boompreise bei Verkauf.“ Die Gerichte bieten keinen Schutz, im Gegenteil: „Früher mussten Vermieter ihren Eigenbedarf detaillierter begründen“, sagt Franz, „heute ist das Landgericht viel großzügiger“.

Auch ein 84-Jähriger kann rausgeklagt werden

Wer der Ansicht ist, mit 80 Jahren oder älter könne man nicht mehr aus der Wohnung gekündigt werden, täuscht sich. Zwar erschweren körperliche Gebrechen des Mieters die Kündigung, und die Kündigungsfrist verlängert sich mit der Dauer des Mietverhältnisses. Doch berichtet die LBS vom Fall eines 84-Jährigen, der trotz „mancher Behinderungen“ weichen musste. Auch Familien mit kleinen Kindern genießen keinen Schutz.

Auf die Zehn-Jahres-Frist bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist ebenfalls nur begrenzt Verlass. Sie gilt ab der ersten Umwandlung im Gebäude. Und sie greift nicht erneut, wenn ein Eigentümer an einen anderen verkauft. Außerdem kann sie durch das „Münchner Modell“ umgangen werden, indem die neuen Eigentümer eine eigene Gesellschaft gründen. Dieser Trick gefällt der Regierung zwar nicht, eine Gesetzesänderung ist geplant, aber noch nicht da.

Was also tun? Gegen eine seriöse und korrekte Eigenbedarfskündigung lässt sich nichts ausrichten: Im Schreiben enthalten muss sein, für wen der Wohnraum benötigt wird – nur „Eigenbedarf“ ist als Begründung zu wenig. Hat der Mieter jedoch den dringenden Verdacht, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht, lohnt es sich, in einem Brief auf die Kosten eines Umzugs hinzuweisen: für Möbelpacker, Makler, eventuell neue Möbel. Und für den Fall, dass sich der Eigenbedarf nur als vorgetäuscht herausstellen sollte, mit einer Schadensersatzklage zu drohen.

„Oft können sich Mieter und Vermieter in solchen Fällen über eine Umzugshilfe verständigen“, erklärt Anja Franz. War der Eigenbedarf erwiesenermaßen vorgetäuscht, droht dem Vermieter noch ganz anderer juristischer Ärger: ein Strafverfahren wegen Betrugs oder Betrugsversuchs. Im Fall von Annegret Schumann hat der Mieterverein einen Räumungsaufschub von vier Monaten erreicht. Ihr neuer Mietvertrag enthält eine Klausel, in der eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen wird.

 

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