Seit 200 Jahren: Diese Weihnachtstradition verdankt München dem Haus Wittelsbach

Deutschlandweit erstrahlen zu Weihnachten festlich geschmückte Tannen. Das war aber nicht immer so. In München wurden die Bäume als Schmuckstücke vor über 200 Jahren eingeführt – initiiert von einem Familienmitglied aus Haus Wittelsbach.
Heinz Gebhardt |
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Der Weihnachtsbaum auf dem Weihnachtsmarkt im Innenhof der Münchner Residenz würde es ohne die Familie Wittelsbach wohl nicht geben.
Der Weihnachtsbaum auf dem Weihnachtsmarkt im Innenhof der Münchner Residenz würde es ohne die Familie Wittelsbach wohl nicht geben. © imago/Wolfgang Maria Weber

Ob auf dem Marienplatz, auf Weihnachtsmärkten oder in Geschäften – zur Weihnachtszeit gibt es in ganz München zahlreiche Weihnachtsbäume zu bestaunen. Aber wann wurde der erste öffentliche Christbaum in der bayrischen Landeshauptstadt aufgestellt? 1809 (und nicht wie so oft fälschlich geschrieben 1830) wurde er in einem Hof der Residenz präsentiert.

Zeichen für Toleranz: Wittelsbacher stellten ersten Weihnachtsbaum auf

Initiator war der katholische König Max I., der zur Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld-Linie von Haus Wittelsbach gehörte, und seine protestantische Königin Karoline. Letztere ist deshalb so wichtig, weil der Christbaum ursprünglich nur in den evangelischen Gebieten verbreitet war – und die katholische Kirche ihn lange als "protestantisches Zeug" verdammt hatte.

Für den Bayrischen König  war der nur bei den Protestanten übliche Christbaum, den er nun in aller Öffentlichkeit im Zentrum des tief katholischen München aufstellte, ein Symbol und Zeichen für mehr Toleranz gegenüber Andersgläubigen.

König Max I. von Bayern (1756-1825): Der Pfälzer vermittelte zwischen Katholiken in Altbayern - und den Protestanten in Franken.
König Max I. von Bayern (1756-1825): Der Pfälzer vermittelte zwischen Katholiken in Altbayern - und den Protestanten in Franken. © Heinz Gebhardt

Und das sehr zum Ärger der katholischen Amtskirche, die diesen importierten evangelischen Brauch des Christbaum-Aufstellens als heidnischen Brauch ablehnte. "Die meisten Münchner hatten in ihrem Leben noch keine Protestanten gesehen. Darum war die Furcht vor diesen gefährlichen Ketzern wohl begreiflich", wie der Hofgeistliche des Königs Ludwig Schmid schrieb.

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Bayern: Moderner und toleranter durch evangelische Königin

Der bayerische Monarch hatte nach dem Tod seiner ersten Frau ganz bewusst eine protestantische Verbindung gesucht – um mit einer evangelischen Königin das katholische Bayern moderner und toleranter zu gestalten.

Er fand sie in der Badischen Prinzessin Karoline, deren Jugendliebe, der Herzog von Enghien, gerade von Napoleon entführt und erschossen worden war.

Sie brachte den ersten Baum nach München: Königin Karoline von Bayern (1776-1841), hier auf einem Gemälde von Hofmaler Joseph Stieler.
Sie brachte den ersten Baum nach München: Königin Karoline von Bayern (1776-1841), hier auf einem Gemälde von Hofmaler Joseph Stieler. © Heinz Gebhardt

Nach ihrem Umzug nach München stellte sie ab 1799 in Schloss Nymphenburg in wehmütiger Erinnerung an ihre Heimat an Weihnachten in ihrem Zimmer einen im protestantischen Baden schon lange üblichen, aber in München noch völlig unbekannten Christbaum auf. Geschmückt wurde er vom königlichen "Hofconfectmeister" Carl Augustolagnio, der auch in den folgenden Jahren der königliche Christbaumaufsteller war.

Nachdem 1806 Max I. zum Bayerischen König gekrönt worden war, sah er im öffentlichen Aufstellen des protestantischen Christbaums eine gute Gelegenheit, im Königreich Bayern mehr Toleranz zu demonstrieren, was im katholischen München aber nicht einfach war:

Letzte Ruhestätte von Königin Karoline und König Max I. in der Gruft der Theatinerkirche.
Letzte Ruhestätte von Königin Karoline und König Max I. in der Gruft der Theatinerkirche. © Heinz Gebhardt

Als 1841 Königin Karoline starb, stand der Trauerzug der Staatsgäste mit ihrem Sarg an der Theatinerkirche eine halbe Stunde vor verschlossenen Türen. Evangelische Geistliche durften die Kirche nicht betreten, brennende Kerzen mussten gelöscht werden – und der Blumenschmuck musste vor der Kirche niedergelegt werden. Musik und Gesang waren bei Androhung der Exkommunikation katholischer Trauergäste verboten.

König Ludwig I. († 1868) drohte den katholischen Geistlichen damit, handgreiflich zu werden.
König Ludwig I. († 1868) drohte den katholischen Geistlichen damit, handgreiflich zu werden. © Heinz Gebhardt

Erst als König Ludwig I. in einem Wutanfall der Geistlichkeit drohte, "ihnen allesamt eigenhändig die liturgischen Gewänder auszuziehen", durfte Karoline in der Theatinerkirche neben ihrem Gatten König Max I. bestattet werden.

Weihnachten 1870 in München. Im Mittelpunkt: der Christbaum.
Weihnachten 1870 in München. Im Mittelpunkt: der Christbaum. © Heinz Gebhardt

Immerhin war sie in der Bevölkerung trotz ihres "ketzerischen" Glaubens wegen ihrer sozialen Ader sehr beliebt: "Geht dir die Not bis obenhin – gehst du zu der Karolin" war ein populärer Spruch in München. Ein bleibendes Denkmal hat die "Christbaum-Königin" aber dennoch bekommen: Im Jahr der ersten Christbaum-Aufstellung 1809 wurde der Platz zwischen Brienner Straße und Königsplatz nach ihr in "Karolinenplatz" umbenannt.

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Erst Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich in München das Christbaum-Aufstellen zu Weihnachten allgemein in den Familien durch: Schuld daran waren die vielen fränkischen (und daher protestantischen) Beamten, die nach München umzogen, weil sie in den dortigen Behörden besser bezahlt wurden als zu Hause.

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  • Gelegenheitsleserin vor 7 Stunden / Bewertung:

    Das ist ja wirklich ein sehr interessanter Artikel!
    Ich hätte dazu noch zu ergänzen, dass auch das Christkind ursprünglich eine protestantische Tradition war - aber heute eher in katholischen Gegenden verbreitet ist.
    Vorher gab es an Weihnachten keine Geschenke, sondern nur an Nikolaus.
    Nachlesen kann man das alles hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Christkind

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  • MichiK am 29.11.2022 13:17 Uhr / Bewertung:

    Sehr schön, wie man diesen harmlosen informativen Artikel für ein Islam-Bashing benutzt.
    Und es gibt selbst heute noch inakzeptable Verhaltensweisen (sexueller Missbrauch und Verschleierungsversuche des selben, reine Männerwirtschaft in Führung und Liturgie), wo sich - wie Sie sagen - (speziell die katholische Kirche) gar nicht rühmen muss. Die sind auch noch weit weg von Toleranz und Aufgeschlossenheit.
    Ein Jeder kehr' vor seinem Tor, da liegt genug Dreck davor.

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  • Dr. Schönfärber am 29.11.2022 14:11 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von MichiK

    Siehe Kommentar von Preißnjaga.

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