Von Mental Health bis Gap Year: So wachsen die Royals von heute auf

Eine Generation junger Royals erobert Europas Thronsäle - selbstbewusst, gut vorbereitet und erstaunlich gelassen. Ob Kronprinz Christian von Dänemark (19), Prinzessin Ingrid Alexandra von Norwegen (21), Prinzessin Estelle von Schweden (13) oder Leonor von Spanien (19), Elisabeth von Belgien (23) und Amalia der Niederlande (21): Sie alle scheinen ihr künftiges Amt anzunehmen, ohne damit zu hadern. Königshausexpertin Julia Melchior verrät im Interview mit spot on news anlässlich ihres neuen TV-Dokumentarfilms "Royal Family - Hollands königliche Geschwister" (12. August, 20:15 Uhr, ZDF sowie Mediathek), was das Geheimrezept für diese neue Gelassenheit und damit glückliche Königskinder ist.
In Ihrer neuen Dokumentation stellen Sie die drei niederländischen Königstöchter vor. Insbesondere geht es um Amalia. Was unterscheidet die Kronprinzessin am meisten von ihrem Vater, König Willem-Alexander?
Julia Melchior: Amalia hadert nicht mit ihrem Schicksal - zumindest ist nichts darüber bekannt. Das gilt eigentlich für alle europäischen Thronfolgerinnen und Thronfolger in Amalias Generation. Wenn man sich beispielsweise Leonor von Spanien anguckt, mit welcher Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit sie Reden hält oder ihre dreijährige Militärausbildung absolviert. Diese Elterngeneration hat die Königskinder besser auf ihre Rolle vorbereitet als die Generation davor. Willem-Alexander hat sich sehr lange sehr schwergetan mit seiner Bestimmung, Amalia hat es viel früher akzeptiert.
Was haben Willem-Alexander der Niederlande, Frederik von Dänemark, Haakon von Norwegen und ihre Ehefrauen anders gemacht als Beatrix, Margrethe, Harald und Co.?
Melchior: Sie haben die Kinder in der Kindheit viel mehr abgeschottet. Aus diesem Grund hätte man auch vor ein, zwei Jahren noch keinen umfassenden Film über Amalia machen können. Von Willem-Alexander und seinen beiden Brüdern wurde erwartet, dass sie das Spielchen mit der Öffentlichkeit viel mehr mitmachen. Sie wurden früher in die Pflicht genommen. Das heutige niederländische Königspaar arbeitet aber auch eher Nine to Five als Beatrix und Claus. Willem-Alexander und Máxima achten auf ihre Work-Life-Balance und haben dadurch auch mehr Zeit für die Familie.
Welche Rolle spielen Berater und Coaches bei der royalen Kindererziehung heute?
Melchior: Natürlich hatten die Töchter eine erstklassige Nanny. Aber Coaching ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Amalia hat als Teenie psychologische Betreuung in Anspruch genommen. Darüber hat sie offen gesprochen. Das wird sicherlich auch der Fall gewesen sein, als sie wegen der Bedrohung durch die niederländische Mafia und den Folgen für ihr Leben so unglücklich war. Die drei Mädchen sind generell zeitgemäßer aufgewachsen, insbesondere beim Thema Mental Health. Damit setzt sich Máxima vor allem seit dem Suizid ihrer jüngeren Schwester Inés Zorreguieta im Jahr 2018 auseinander. Amalia, Alexia und Ariane werden aufgrund ihrer exponierten Stellung in Zeiten von Internet-Hasskommentaren psychologisch unterstützt.
Hilfe bei Depressionen und Suizidgedanken bietet die Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummer: 0800/111 0 111
Amalias Schwester Prinzessin Alexia ist ja quasi die Reserve wie Prinz Harry für seinen Bruder William. Und spätestens seit Harrys Buch ist das ein besonders negativ besetzter Begriff. Was macht das niederländische Königshaus, damit aus Alexia kein unglücklicher und unzufriedener Harry wird?
Melchior: Sie nehmen sich die Generation von Willem-Alexanders Brüdern zum Vorbild und geben Alexia und Ariane die Freiheit, sich und ihre Talente frei zu entwickeln. Sie ermutigen die jungen Frauen dazu, ihren eigenen Weg zu gehen und sich vom Königshaus unabhängig zu machen - es wird aber auch von ihnen erwartet. Finanziell können sie vom Königshaus nichts erwarten. Das würden die Niederländer nicht akzeptieren. In Großbritannien wurde es ja sehr lange anders gelebt - die Familienmitglieder sollten sich in den Dienst der Königsfamilie stellen. Bei den Niederländern hat schon Prinz Claus seine jüngeren Söhne, Friso und Constantijn, dazu ermutigt, etwas aus ihrem Leben zu machen. Einerseits, weil er mit seiner eigenen Situation unzufrieden war, andererseits, weil das niederländische Königshaus auch schon in den 1970er und 1980er Jahren unter Kostendruck stand - anders als es in Großbritannien der Fall war.
Die Niederländer sind also ein Vorbild für andere Königshäuser im Umgang mit den Reserve-Royals?
Melchior: Auf jeden Fall. Constantijn und seine Familie - und bis zu seinem Tod natürlich auch Friso - unterstützen Willem-Alexander bei öffentlichen Auftritten wie etwa dem Königstag. Dadurch haben viel mehr Menschen die Möglichkeit, mit Mitgliedern des Königshauses in Kontakt zu treten. Ich nenne sie "Freelance-Royals". Sie sind abrufbar, wenn man sie braucht, bekommen als Freelancer aber kein Geld dafür. Es wirkt tatsächlich auch so, als könnten sie die wenigen Momente im Rampenlicht genießen. Sie haben das Beste aus beiden Welten: Sie können ein eigenes Leben führen und ab und zu die Krone repräsentieren.
Das jüngste der drei Mädchen, Prinzessin Ariane, ist am 10. April 18 Jahre alt geworden. Werden wir jetzt auch mehr von ihr erfahren?
Melchior: Da bin ich auch sehr gespannt. Noch ist nicht bekannt, wie es für sie weitergeht. Aber ihre älteren Schwestern hatten nach dem Abitur ja ein sogenanntes Gap Year gemacht und ein Jahr die Welt erkundet, die Freiheit genossen und sich orientiert. Die Möglichkeit wird sie auch haben, denke ich. Aber generell sind sie nach wie vor so abgeschottet, dass man es nicht weiß.
Warum fühlt es sich für die Öffentlichkeit nicht unbedingt so an, als seien die Königskinder "abgeschottet"?
Melchior: Die niederländische Königsfamilie veranstaltet diese regelmäßigen jährlichen Fototermine, die einem das Gefühl vermitteln, sie seien präsent und man habe die drei Töchter aufwachsen sehen - aber in Wahrheit hat man nichts erfahren. Auch von Alexia weiß man nur, dass sie in London studiert. Das machen sie schon sehr geschickt.