Uschi Glas über Antisemitismus: "Es ist beschämend!"

Die Schauspielerin engagiert sich mit über 200 Persönlichkeiten für eine Petition gegen Antisemitismus. Uschi Glas über Antisemitismus, die Angst jüdischer Mitbürger, ihre Forderungen an die Politik – und den Duft von Orangenbäumen.
Natalie Kettinger
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"Es ist eine Selbstverständlichkeit für mich, auf die Straße zu gehen": Uschi Glas spricht bei der Gedenkveranstaltung "365 Tage – München gegen Antisemitismus" anlässlich des ersten Jahrestages des Überfalls der Hamas auf Israel auf dem Odeonsplatz.
"Es ist eine Selbstverständlichkeit für mich, auf die Straße zu gehen": Uschi Glas spricht bei der Gedenkveranstaltung "365 Tage – München gegen Antisemitismus" anlässlich des ersten Jahrestages des Überfalls der Hamas auf Israel auf dem Odeonsplatz. © picture alliance/dpa

Unter dem Motto "Nie wieder heißt jetzt – Fünf-Punkte-Plan gegen Antisemitismus" sammelt ein breites Bündnis aus über 200 Persönlichkeiten und Organisationen im Internet aktuell Unterschriften für eine Petition, mit der es die Politik zum Handeln bewegen will.

Am Sonntag ruft es außerdem ab 16 Uhr zur Kundgebung auf dem Königsplatz auf. Zu den prominenten Unterstützerinnen des Bündnisses gehört Schauspielerin Uschi Glas. Die AZ hat mit ihr darüber gesprochen.

AZ: Frau Glas, was war der Auslöser für Ihr Engagement?
USCHI GLAS: Aufgrund unserer Vergangenheit ist es mir ein großes Anliegen, dass es unseren jüdischen Mitbürgern gut geht, dass sie sich sicher fühlen und sicher leben können. Ich hätte nie gedacht, dass es noch einmal einen so massiven Anstieg von Antisemitismus bei uns geben könnte. Deshalb fühle ich mich verantwortlich. 1933 und schon in den Jahren zuvor haben sich viel zu wenige leider Gottes getraut, zu sagen: "Ich stehe zu meinen jüdischen Nachbarn." Man hat den Kopf eingezogen, geschwiegen, nicht mehr beim Nachbarn eingekauft oder ist nicht mehr zum jüdischen Arzt gegangen. "Nie wieder heißt jetzt" wendet sich aber nicht allein gegen Antisemitismus und Judenhass. Dieser Satz steht auch für unsere Demokratie, die Religionsfreiheit gewährt, weshalb wir unsere jüdischen Mitbürger speziell schützen müssen.

Uschi Glas: "Es ist beschämend, dass man sich ängstigen muss"

Sie sind auch bei "Run for Their Lives" aktiv.
Ja, seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 laufen wir im Rahmen von "Run for Their Lives" jeden Sonntagnachmittag schweigend durch München, um für die Freilassung der Geiseln einzutreten. In München werden die Schweigemärsche von Guy Katz und Jil Meiteles initiiert. Aber die Läufe gibt es weltweit.

Was erzählen Ihnen jüdische Mitbürger?
Sie erzählen von Ängsten: dass sie nicht mehr sicher sind; dass sie bedroht werden; dass sie ihre Namensschilder abhängen; dass sie die Kinder nicht mehr allein in den Kindergarten gehen lassen; dass sie, wenn sie mit der Straßenbahn unterwegs zu unserem Lauf sind, ihr Kettchen mit dem Davidstern unterm T-Shirt verstecken. Es ist beschämend, dass man sich ängstigen muss, weil man jüdisch ist. Wobei ich auch ganz klar sagen muss: Die meisten meiner jüdischen Freunde sind gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, auch in Israel, wo der Protest gegen die Regierung immer stärker wird. Man darf nie vergessen, Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns solidarisch erklären.

Uschi Glas beim "Run for Their Lives". Im Interview sagt sie: "Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 laufen wir im Rahmen von "Run for Their Lives" jeden Sonntagnachmittag schweigend durch München."
Uschi Glas beim "Run for Their Lives". Im Interview sagt sie: "Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 laufen wir im Rahmen von "Run for Their Lives" jeden Sonntagnachmittag schweigend durch München." © uschiglas_official/Instagram

Wie viel Kritik an der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist Ihrer Meinung nach erlaubt – und wo ist eine Grenze überschritten?
Kritik ist immer erlaubt. Sie ist Teil der Demokratie, bei uns und auch in Israel. Sie können ja fast jeden Tag im Fernsehen sehen, dass die Menschen in Israel gegen Netanjahu demonstrieren. Im Gazastreifen ist das unmöglich. Wer dort gegen die Hamas ist, wird getötet. In Israel hingegen lebt die Demokratie, und wenn der Krieg beendet ist, wird es Neuwahlen geben. Da bin ich mir ganz sicher.

"Niemand redet mehr über die Ursache"

Welche Beziehung haben Sie persönlich zu Israel?
Ich bin vor über 50 Jahren zum ersten Mal nach Israel gereist und habe mich sofort in dieses Land verliebt. Was die Menschen dort auf die Beine gestellt haben! Sie haben aus einer Wüste ein blühendes Land geschaffen. Das hat mich extrem beeindruckt. Bis heute habe ich den Duft der Orangenbäume in meiner Nase, wenn ich an Israel denke.

Wie sind Ihnen die Menschen dort begegnet – Ihnen, der Schauspielerin aus Deutschland?
Es war faszinierend. Vor 50 Jahren war der Zweite Weltkrieg ja noch viel näher. Trotzdem haben mich, eine Deutsche, die Menschen dort herzlich willkommen geheißen. Ich habe nie ein böses Wort gehört. Niemand hat mich gefragt: Was haben deine Eltern während der NS-Zeit gemacht? Die Menschen waren immer unglaublich freundlich und das werde ich nie vergessen. Deswegen ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, jetzt auf die Straße zu gehen.

Was fordern Sie von der Politik?
Mehr geschichtliche Aufklärung, vor allem in den Schulen. Es geht uns um die Erklärung: Was ist das Judentum? Was bedeutet jüdisches Leben und warum ist es wichtig für unsere Gesellschaft? Im Moment wird doch nur noch von Gaza gesprochen. Auch das ist wichtig, das möchte ich klar sagen. Aber: Niemand redet mehr über die Ursache des Krieges, über das Massaker vom 7. Oktober 2023, an dem man bestialisch Babys und Kinder ermordet hat. Man hat sie geköpft, sie in Backöfen gesteckt. Das haben viele in Deutschland und auf der ganzen Welt leider vergessen, wie es mir scheint. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Jedes Kind, das stirbt, ist ein Kind zu viel, und jeder Mensch, der getötet wird, auch. Aber man darf Schuld und Unschuld nicht umkehren, das geht nicht.

"Das wäre möglicherweise die Lösung vieler Probleme"

Was fordern Sie noch?
Die Polizei in Bayern ist ziemlich gut geschult, andernorts, denke ich, besteht Nachbesserungsbedarf. Außerdem müssen antisemitische Plakate, zum Beispiel mit der Aufschrift "From the river to the sea", als Straftat geahndet werden. Damit ist schließlich nichts anderes als die Auslöschung Israels gemeint.

Wie stehen Sie zur Zwei-Staaten-Lösung?
Die wäre möglicherweise die Lösung vieler Probleme. Aber dann müssten die Hamas, die Hisbollah und einige andere Player der Region erst einmal den Staat Israel akzeptieren. Alle Akteure in der Region müssten sich einig sein, dass der Staat Israel existieren darf – und daneben dann noch ein anderer Staat.

Nach einer Woche hatte Ihre Petition etwa 15.000 Unterschriften, jetzt sind es knapp 20.000. Was sagen Sie dazu?
Um die Petition ins Parlament zu bringen, bräuchten wir 30.000 Unterschriften, und da sind wir leider noch nicht. Aber ich hoffe, alle, die das jetzt lesen, machen mit. Das würde ich mir wünschen.

Sind Sie hoffnungsvoll, dass es noch klappt?
Ich hoffe es sehr. Es betrübt mich, wenn Menschen sagen: "Ach nee, da halte ich mich lieber raus. Ach nee, man hat ja selbst so viele Sorgen." Das macht mich einfach traurig.

An diesem Sonntag ist die große Demo. Mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern rechnen Sie – und wie viele würden Sie sich wünschen?
Wir haben vor einem Jahr schon einmal auf dem Odeonsplatz demonstriert. Damals kamen ungefähr 10.000 Menschen. Toll wäre, wenn diesmal 100.000 kämen. Aber egal, wie viele wir sind, ich bin sicher, gemeinsam werden wir ein starkes Zeichen setzen.

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  • eule75 vor einer Stunde / Bewertung:

    Es gibt 2 Seiten, und es gibt viele Jahre zuvor. Nach dem 2. Weltkrieg herrschte friedliches Miteinander zwischen Deutschen und Juden. Das hat sich erst seit den kurz zurückliegenden Jahren geändert. Die deutsche Bevölkerung ist der falsche Ansprechpartner.

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