Unsere City – reich und sexy?

Millionen Frauen fiebern dem Filmstart von „Sex and The City“ entgegen, rüsten sich mit Cosmopolitans, Manolo Blahniks und Lippenstift für Kino-Abende mit den Freundinnen. Aber kann eigentlich München mit New York mithalten? Eine Suche nach dem Sexappeal von Dirndl, Geld und Englischem Garten.
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Joseph von Westphalen
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Millionen Frauen fiebern dem Filmstart von „Sex and The City“ entgegen, rüsten sich mit Cosmopolitans, Manolo Blahniks und Lippenstift für Kino-Abende mit den Freundinnen. Aber kann eigentlich München mit New York mithalten? Eine Suche nach dem Sexappeal von Dirndl, Geld und Englischem Garten.

Von Joseph von Westphalen

Wenn die einst hysterisch gepriesene Kultserie in etwa das Niveau hatte, auf dem die Hauptdarstellerinnen in den Interviews jetzt daherplappern, wird einem klar, dass man nichts versäumt hat, wenn man keine der Folgen gesehen hat, dass man den Film ignorieren kann. Auch als Ignorant hat man im Lauf der Jahre und des Zappens mitbekommen, worum es geht. Vier häufig „oh“ sagende Freundinnen aus New York wollen uns weismachen, dass die Amis doch nicht so prüde sind.

Die Fans der Serie kriegten sich gar nicht ein über die neue New Yorker Ungeniertheit, mit der die flotten Frauen über die Qualität von Penissen redeten. Diese Ungeniertheit müsste eigentlich komisch sein, weil sie zeigt, dass die Gleichberechtigung der Frauen nun das Feld erreicht hat, das die meisten Männer reumütig verlassen haben. Und dass es eben keine Gleichberechtigung gibt. Weil Männer, die detailliert über die sexuellen Eigenarten von Frauen spekulieren, primitiv und pubertär und hoffnungslos gestrig wirken, während man halbwegs attraktiven Frauen vergleichsweise intime Schwärmereien über männliche Potenz verzeiht. Es zeigt sich auch, dass nicht nur Männer Maulhelden sind, sondern Frauen auch Maulheldinnen.

Vier Konsum-Tussen

Es ist aber nicht komisch, weil die eigentliche Ungeniertheit gar keine sexuelle ist sondern allein darin besteht, ungeniert für Produkte zu werben und das als sexy zu verkaufen. Diese vier Konsum-Tussen fühlen sich nur wohl, wenn sie von Schühchen und Täschchen und den trägerlosen Tops ihrer Lieblingsdesigner schnattern können. In London, hört man, tun es immer mehr Frauen den Männern gleich. Sie saufen bis zum Torkeln und pinkeln an den Straßenrand. Auch nicht unbedingt das, was man sich unter Emanzipation vorstellt, aber wenigstens werben sie damit nicht für die Ausgeburten, mit denen sich Designer für ihre eigene Hässlichkeit an modehörigen Frauen rächen.

Und wie schaut es städtevergleichsmäßig mit dem Sex von und in München aus? Berlins Bürgermeister hat den Slogan erfunden, seine Stadt sei „arm aber sexy“. Ist München reich und sexy, oder widerspricht sich das? Ein Beispiel: das „Roma“ in der Maximilianstraße. Früher ein leicht verschlissener Ort der Liebe und Verheißung. Allein diese blank abgewetzten roten Lederbänke, dieser Charme eines alten Fährschiff-Salons. Außen stand „ROMA“ an den Fenstern, was sich von innen wie „AMOR“ las. Dann wurde es modernisiert, immer noch schön, vielleicht sogar sexy, schon weil es dem Mann von Iris Berben gehörte, und Iris Berben sexier ist als mancher zehn Jahre jüngere Amischicksensuperstar.

Wird München prüde?

Nun aber ist Schluss mit Sex und Amore. Eine weltbekannte Modemarke wird in Zukunft in den Räumlichkeiten residieren, und es wird genügend Münchner Gänse geben, die alles Teure sexy finden, obwohl ein T-Shirt von C & A für drei Euro hundert Mal mehr Sex bedeuten kann als ein Hundert-Euro-Designerteil. Verzweifeln? Oder gegen die Verpestung der Städte durch den Imperialismus der Modehäuser demonstrieren und darauf hinweisen, dass selbst der bei Prostituierte gekaufte Sex noch echter ist als der vermeintliche Sex der Markenartikel? Beleidigt verlassen wir die Maximilianstraße in Richtung Isar oder Englischer Garten. Lagen hier früher nicht viel mehr Nackte in der Sonne? Wird München prüde?

Andererseits: Nacktheit hat nur in Glücksfällen etwas mit Sex zu tun, insofern ist die Hoffnung, sich mit Hüllen sexy zu machen, verständlich. Und was ist mit dem Dirndl? Ist der klassisch-üppige altbayerische Dirndl-Ausschnitt supersexy oder mütterlich oder folkloristisch oder optisches Beiwerk zum Masskrug oder was? Und wenn wir schon bei der Tracht sind: Loden ist nicht gerade der Stoff aus dem die Träume der Lust gewebt sind, oder? Bekanntlich hängt es ja von der Laune beziehungsweise dem Hormonspiegel des Beobachters ab, ob und wie viele Sexsignale aufgenommen werden. Wer, was das betrifft, in München nicht auf seine Kosten kommt, tigert zu trübsinnig und nicht mit dem nötigen, dem erotischen Appetit durch die Straßen.

Was die wirkliche sexuelle Ungeniertheit betrifft, haben die verbalerotischen Modepuppen aus New York mit ihren kitschigen Glücksvorstellungen und ihre Drehbuchautoren keine Ahnung, wie offen und urig es in der Alten Welt zugeht. Belauscht man abseits der Schickeriameilen Münchens vier freche Giesingerinnen, erfährt man mehr über Sex als man wissen wollte. Noch mehr, wenn wenigstens eine von ihnen eine zugezogene Frau aus den Neuen Ländern ist - denn die Unverklemmtheit der Ex-DDRlerinnen ist legendärer als alles US-Serienstargeschnatter.

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