TV-Richterin Barbara Salesch: "Andere haben Enkel, ich habe Gericht"
Ein Vierteljahrhundert lang hat Barbara Salesch im deutschen Fernsehen Recht gesprochen. Jetzt, mit 75 Jahren, erlebt die TV-Richterin einen neuen Höhepunkt ihrer Karriere: Am 10. Juni zeigt RTL (auch via RTL+) das 90-minütige Primetime-Special "Barbara Salesch - Der größte Prozess ihres Lebens: Die Tote im Rhein". Statt Nachmittags-Gerichtshow steht sie diesmal in einem Fernsehkrimi mit Mordfall vor der Kamera.
Seit ihrer Rückkehr ins Fernsehen 2022 nach zehn Jahren Pause ist Salesch präsenter denn je. Die Juristin sprach einst echte Urteile am Hamburger Landgericht, bevor sie 1999 ins TV wechselte und mit ihrer Show "Richterin Barbara Salesch" das Format der Gerichtsshows in Deutschland groß machte. Im Interview mit spot on news spricht sie über ihre ungebrochene Neugier, warum sie lieber im Gericht sitzt als Enkel zu hüten, und was sie antreibt, mit 75 Jahren noch einmal richtig durchzustarten.
Wie haben Sie Ihren 75. Geburtstag kürzlich gefeiert?
Barbara Salesch: Es war wunderbar! Wir haben viel gefeiert, aber in kleineren Gruppen, weil ich an dem Tag selbst gearbeitet habe. Im Sommer machen wir dann noch eine große Party bei mir im Garten.
Wie fühlt es sich an, jetzt so präsent zu sein wie selten zuvor?
Salesch: Es macht einfach Laune. Diese Präsenz hat dazu geführt, dass wir jetzt endlich mal für die Primetime drehen durften. Das ist schon eine ganz andere Hausnummer. Normalerweise drehen wir an einem Tag drei unserer nachmittäglichen Verhandlungen. Jetzt haben wir einen einzigen Film gedreht, einen Mix aus Krimi und Gericht, und eine Menge Drehtage dafür gebraucht. Er ist super geworden und wir können viel mehr als üblich zeigen.
Wie realistisch ist der Film verglichen mit Ihrem echten Richteralltag?
Salesch: Wir sind so nah dran, wie es näher nicht geht. Wir haben jetzt in der Abendsendung 90 Minuten Zeit, um zusammengefasst eine sechstägige Hauptverhandlung zu zeigen mit allen ihren Wendungen. Wir sehen die Umstände der Ermittlungen und was sich in den Verhandlungspausen alles an Manipulationen abspielt und wie sogar versucht wird, Geld mit dem Leid anderer zu verdienen. Rundherum spannend.
Was hat Sie an den Dreharbeiten besonders begeistert?
Salesch: Eine ganze Menge. Was ich toll fand, war die Arbeit der Schauspieler. Für mich ist es nie ein Problem, die Richterin zu spielen - ich bin eine. Ich spiele mich selbst, und fertig. Aber es ist etwas anderes, wenn man eine fremde Person verkörpern soll und die einem hinterher so gelingt, als ob man das wirklich selbst sei. Großer Respekt. So etwas kann ich noch nicht einmal im Ansatz. Auch die Technik hat mich fasziniert: Da kommt plötzlich ein Kran auf dich zugefahren und ich habe nur noch gedacht, hoffentlich hat er eine Bremse. Das Licht war völlig anders als sonst, überall Kameras in Bewegung und dann muss ich mindestens fünfmal das Gleiche sagen. Für jede Einstellung. Das fand ich echt schwer.
Wieso funktionieren Gerichtsshows auch heute noch?
Salesch: Das dürfte auch von der authentischen Besetzung abhängen. Sie können immer Schauspielerinnen und Schauspieler nehmen, die die Richterrolle übernehmen und sie spielen, wie es geschrieben wurde und wie sie denken, dass es zur Rolle passt. Aber ich muss die Richterin nicht spielen. Das ist schon ein Unterschied, zumal ich die Drehbücher auch immer noch überarbeite. Man kann mir also bei meiner Arbeit zuschauen.
Und was macht das Format für Sie persönlich weiterhin spannend?
Salesch: Ich mag meinen Beruf. Er zeigt immer wieder andere Facetten, andere Zusammenhänge, andere Lösungen. Ich liebe das. Ich mache mir auch keine großen Gedanken über meine Fernseh- Zukunft. Es ist ja ganz einfach: Es gibt immer zwei, die zusammenkommen müssen. Das ist der Zuschauer und ich. Wenn der Zuschauer mich nicht mehr sehen will, bin ich schneller weg vom Fenster, als ich gucken kann. Da kennen die Sender nix. Und wenn ich keine Lust mehr habe oder einfach nicht mehr kann, muss sich der Zuschauer die Nase putzen, denn dann mache ich nicht weiter. Solange wir zwei so gut miteinander harmonieren wie jetzt schon wieder seit beinahe drei Jahren und über 500 Sendungen, so lange läuft es weiter.
Wenn Sie an Ihre Anfangszeit im Fernsehen vor 25 Jahren zurückdenken, was hat sich verändert?
Salesch: Früher war das zum Teil sehr viel anstrengender. Nach über zwölf Jahren und über 2500 Sendungen hatte ich am Ende einfach mal die Nase voll. Für mich wiederholte sich zu viel. Ich war Anfang 60 und habe nebenbei noch Kunst studiert: Ich wollte nicht erst mit 80 auf die Malerleitern steigen - sondern jetzt die großen Arbeiten machen. Ich wollte damals mein sogenanntes drittes Leben anfangen, und das habe ich dann auch gemacht. Mit Hof, Werkstätten, Galerie und Hund auch noch. Ich hatte immer gut zu tun, aber es war auch alles viel ruhiger geworden. Seit ich zurück im Fernsehen bin, ist echt viel mehr los, aber ich fühle mich gut dabei. Eine Zusammenarbeit mit deutlich Jüngeren ist einfach schön.
Haben Sie jetzt noch Zeit für Ihre Kunst?
Salesch: Aktuell wenig. Ich mache jetzt nur noch eine Ausstellung im Jahr - aber die bekomme ich immer irgendwie hin.
Wieso haben Sie als Kreative sich damals überhaupt fürs Jurastudium entschieden, das dem Ruf nach eher trocken ist?
Salesch: Ich finde den Ruf unpassend - das stimmt gerade nicht. Jura ist überhaupt nicht trocken. Dass der eine oder andere Professor etwas dröge daherkommt, ist klar. Es ist eben immer die Frage: Wie vermittelt man den Stoff? Jura ist hochinteressant. Man lernt vor allem logisches Denken - und damit kann man beruflich viel machen. Aber ein Problem gibt es bei Juristen: Sie reden oft so, dass ein Nichtjurist sie nicht mehr versteht. Mich hat man immer verstanden.
Warum haben Sie den echten Gerichtssaal gegen das Fernsehstudio eingetauscht?
Salesch: Ich habe 20 Jahre lang in Hamburg gearbeitet - ich hatte alles schon hinter mir. Den Erfolg, den ich haben wollte, hatte ich sehr früh. Und wenn man dann mit 49 und Übergewicht plötzlich das Angebot bekommt, zum Fernsehen zu gehen - dann macht man das doch. Dass es so lange dauert und ich jetzt schon wieder auf Sendung bin, das konnte ich ja nicht ahnen.
Haben Sie die Entscheidung jemals bereut?
Salesch: Weder noch. Ich habe weder die Entscheidung bereut, eine echte Richterin zu werden, noch die Entscheidung, zum Fernsehen zu gehen. Es sind beides wunderbare Berufe, die sich ergänzen.
Was treibt Sie heute an, immer weiterzumachen?
Salesch: Die Neugier. Auch der Erfolg. So einen aufwändigen Film für die Primetime zu schaffen, das wird einem nicht jeden Tag angeboten. Wichtig ist mir auch, wie wir die Sendungen immer frischer machen können. Es ist fantastisch, was es in der Zwischenzeit alles an neuen Beweismitteln gibt - Videos, Überwachungskameras, Fotobeweise. Man muss nur an die Aufnahmen kommen und das schaffen wir immer im Lauf der Verhandlung. Und vielleicht noch etwas: Ich habe meinen Beruf immer geliebt. Andere haben Enkel, ich habe Gericht. Als Oma wirst du auch nicht unbedingt gefragt, ob du mit 75 noch ein Baby versorgen kannst. Man muss einfach zusehen, dass man die Kinder neugierig macht und beschäftigt. Ich finde es immer gut, wenn man nicht auf dem Sofa sitzen bleibt, egal, was man macht.
Sie haben mehrere Leben gelebt: Richterin, TV-Richterin und Künstlerin. Ist Ihr Comeback das vierte Leben - oder sind Sie wieder zurück im zweiten?
Salesch: Ich schaue lieber nach vorne als zurück - also nehmen wir das vierte. Mein viertes Leben hat die positiven Seiten des zweiten, aber ich fühle mich nicht überlastet wie damals gegen Ende. Jetzt bin ich wieder topfit - und solange ich sitzen kann, sitze ich alle aus. Nur wenn ich laufen soll oder Treppen steigen, dann muss man ziemlich auf mich warten. Das vermeide ich jetzt tunlichst vor laufender Kamera. Ich komme deshalb bei unserem neuen Film schön mit dem Taxi zu Gericht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Salesch: Das, was man im Alter immer sagt: Gesundheit. Dass meine Knie funktionieren, dass mein Geist funktioniert. Mein Kopf ist wenigstens noch gut fit. Man wird im Alter ein bisschen demütig: In jungen Jahren hält man es für selbstverständlich, dass man allen davonspringt. Irgendwann wird man aber eingeholt und später rennt man hinterher. Und ich wünsche mir eben, dass ich weiter mithalten kann.
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