Trauer um Brigitte Bardot: Der Mythos BB lebt weiter

Wenn nur doch der Nachname mit "die" genannt wird, hat man es in den Olymp geschafft: "Die Dietrich", "Die Monroe" – und "Die Bardot". Ihr Kürzel "BB" stand für die fantastische Balance aus Sex-Idol und starker Persönlichkeit, für gesellschaftliche Revolution, High-Society und Kunstfilm. Jetzt ist Brigitte Bardot mit 91 Jahren in Saint Tropez gestorben – einem Ort, den sie selbst nur durch ihre Präsenz zu dem gemacht hat, was er ist: Inbegriff des französischen Savoir-Vivre der Reichen und Schönen. Weshalb ihr hier schon zu Lebzeiten eine Bronzestatue gewidmet war. Die Bardot lebte hier seit 1958 in ihrer unaufgeregten, naturnah in die bergige Landschaft eingefügten Villa La Madrague – direkt am Meer.
„Die Bardot“ – Ankunft im Olymp
"Wie alles, was natürlich ist, akzeptiere ich auch das Alter", hatte sie zu ihrem zuletzt gefeierten 89. Geburtstag gesagt und nach ihrer Hüftoperation charmant-ironisch gesagt: "Mit meinen zwei Gehstöcken gehe jetzt wie die Tiere, die ich so sehr lieb: auf allen vieren."
Dass die Bardot außerhalb Frankreichs vor allem auch in Deutschland begehrt und gefeiert wurde, lag auch an ihrer dritten Ehe von 1966 bis 1969: die mit dem Fotografen und sogenanntem Playboy Gunther Sachs (1932 bis 2011).
AZ-Kolumnist Michael Graeter hatte die Sensations-Liaison zwischen dem Sohn aus der Schweinfurter Kugellagerfabrikantenfamilie Fichtel&Sachs und der französischen Sexgöttin publik gemacht – und auf einen Tipp hin dem Paar bei Oberaudorf – dem Jagdgebiet der Familie Sachs – aufgelauert, als sie im Mercedes 600 Pullman einen Waldweg entlang kamen. Nur Tage später heiraten sie in Las Vegas, um dann nach Tahiti weiterzufliegen.
München, Freundschaften und Filmstationen
München hat sie 1968 besucht – zur Premiere ihres Films "Shalako", einem britisch-deutschen Western. Und ihre beste Freundin Monique Faye wurde die Ehefrau von Mario Adorf.
Vielleicht ist es die Tragik von Brigitte Bardot, dass sie zu stark als Sexsymbol gesehen wurde, dabei ist das in ihrem Fall eine echte Auszeichnung, weil die lässige Freizügigkeit der Bardot Sinnbild der sexuellen Revolution der 60er-Jahre wurde und damit auch zum Symbol einer emanzipierten, selbstbestimmten weiblichen Sexualität.
Die originelle Seite daran ist, dass sich die Bardot selbst in ihrer Jugend ans unschön in Erinnerung hatte – mit vielen Tränen wegen dem leichten Schielen, der Brille und der Zahnspange. Eine jahrelange klassische Tanzausbildung wird ihr dann die – in ihrem Fall besonders natürliche – Bühnenpräsenz geben. Anmut trifft auf Stolz und Natürlichkeit – mit sonnigem und gleichzeitig mutigem Gesichtsausdruck – und dem sexy Schmollmund, dessen heute häufig aufgespritzt nachgeahmten Versionen groteske Schlauchbootversionenn sind.

Der Aufstieg: Vadim, Hollywood und der Skandal
Ein Fotograf der "Elle" zieht sie dann ins Rampenlicht, als sie mit erst 15 Jahren das Cover ziert. Schon in diesem Alter schwärmt sie für einen Typen, den späteren Regisseur Roger Vadim, er wird mit ihrer Volljährigkeit 1952 ihr Ehemann und mit ihr zum Regisseur: "… und immer lockt das Weib", der auf Französisch "Et Dieu … créa la femme" heißt, macht ihn und die Bardot berühmt. Curd Jürgens spielt den männlichen Gegenpart. Hier wurde Sexualität so explizit gezeigt, dass die Zensur in den USA den Film verstümmelte, aber Brigitte Bardot auch in Amerika zum Star machte. Der Film ist voyeuristisch angelegt mit Bardot als leicht nymphomanem Waisenmädchen – ein filmischer "Groschenroman".
All das täuscht aber darüber hinweg, dass die Bardot auch intellektuell begabt war und Kunst von Banalem gut unterscheiden konnte. So dreht sie mit dem unkonventionellen Jean-Luc Godard. Michel Piccoli ist hier ihr Ehemann, ein Drehbuchautor, von dem sie plötzlich merkt, dass sie ihn verachtet. In "Die Verachtung" (1963) ist gleichzeitig Godards Verachtung für Hollywood-Produzenten-Kino eingebaut.
Anerkennung hatte sich Brigitte Bardot da bereits 1960 durch den Film "Die Wahrheit" von Henri-Georges Clouzot verschafft. Auch hier spielt sie eine junge Frau, die sich durch ein freies Liebesleben gegen Prüderie und Bürgerlichkeit auflehnt.

Menschen, die wie Michael Graeter die Bardot kannten, hatten bei ihr immer das Gefühl, dass die Bardot selbst ihren Status als Ikone nie ganz begriffen hat – nicht aus Bescheidenheit, sondern aus Natürlichkeit und Direktheit, die völlig unaufgesetzt war. Aber die revolutionäre französische Nationalfigur Marianne, die als Büste in fast allen Rathäusern der Republik steht, ist seit 1968 genau dieser Frau nachempfunden, die am 28. September 1934 in Paris geboren wurde.
Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte Bardot als "eine Legende des Jahrhunderts", wobei die Frage ist, welches er damit meint. Sie verkörperte ein Leben in Freiheit, schreibt Macron: "Französische Existenz, universeller Glanz. Sie hat uns berührt." Und er erinnert an ihre Filme, ihre Stimme, ihren Ruhm und ihre großzügige Leidenschaft für Tiere. Macron selbst hatte Bardot 2018 getroffen, aber von ihr 2020 einen gesalzenen Brief erhalten: Bei der Abschaffung der Käfighaltung in der Geflügelzucht, des rituellen Schächtens und der Tötung männlicher Küken hinke Frankreich hinter anderen europäischen Länder hinterher. Macron habe "weder Empathie noch Menschlichkeit": "Wir haben genug von dem Blabla, den fruchtlosen Debatten, schreiten Sie zur Tat!", schrieb Bardot an den Präsidenten.
Späte Jahre: Provokation und Brüche
Vielleicht haben viele Existenzialisten und Menschen im Umfeld der Nouvelle Vague lange gedacht, dass eine Frau wie die Bardot nur eine Linke sein könnte – und waren in den späten Jahren dann entsetzt, als Brigitte Bardot sich auch über Migration äußerte und dabei eine klare Nähe zum Front National erkennen ließ. Ihr Buch "Un cri dans le silence – Ein Ruf aus der Stille" von 2003 ist dann auch ein Reihumschlag gegen Islamisierung, moderne Kunst, Verweichlichung von Männern und Fast-Food.
Dabei darf man nicht vergessen, dass die Bardot selbst streng katholisch erzogen worden war und in konservativem reichem Großbürgertum aufwuchs – und spät in dieses Gedankengut zurückfiel. Aus dem Film- und High-Society-Dasein hatte sie sich schon 1973 verabschiedet – auch zu Gunsten einer neuen Mission: dem Tierschutz. Ihr gelang es, die Schlachtungsmethoden (Bolzen statt Kehle durchschneiden) gesetzlich durchzusetzen oder die Robbenjagd zu ächten. Um viele ihrer tierschützerischen Agenda umzusetzen, hatte Bardot viele ihrer Wertgegenstände versteigern lassen. Späte politische Äußerungen von Brigitte Bardot sollten aber ihr Gesamtwerk und ihre Leistungen nicht verdunkeln.
Simone de Beauvoir beschrieb Bardot schon 1959 wegen ihrer Freiheitsliebe und Modernität als Lokomotive des Feminismus. Ob man dazu auch die Geschichte ihres Sohnes nimmt, der aus ihrer zweiten Ehe (1959 – 1963) mit dem Schauspieler Jacques Charrier gehört. Der wuchs beim Vater und den Großeltern auf. Bardot hat im Nachhinein eingeräumt, eine Rabenmutter gewesen zu sein.
So bleibt von Bardot das Vermächtnis eines Feminismus, zu dem eben auch weibliche Sinnlichkeit gehört. Und sonst: ein Bündel bemerkenswerter Filme und eine schöne Stimme, zu der auch passt, dass Serge Gainsbourgs gesungener Erotik-Klassiker "Je t’aime … moi non plus" ursprünglich für die Bardot geschrieben war. "Harley Davidson" ist einer ihrer bekannteren Chansons – ebenfalls von Gainsbourg. Und auch das Bild dazu, mit der Bardot im ultrakurzem Lederrock und Lackstiefeln auf diesem Feuerstuhl wurde ikonisch.