Todesangst: Andreas Kümmert spricht über seine Krankheit

Andreas Kümmert hat die Musikwelt gleich zweimal überrascht: Zuerst mit seiner Stimme bei "The Voice", dann mit seinem Rückzug vom ESC 2015. Jetzt spricht er in einem Interview über die Gründe für die Absage, seine krankhafte Furcht vor dem Sterben, seine akute Sinnsuche und die asozialen Medien.
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Nur Minuten später wird Andreas Kümmert seinen Rückzug bekannt geben und Ann-Sophie die Vertretung Deutschlands beim ESC übergeben: Andreas Kümmert beim Finale des Vorentscheids
dpa Nur Minuten später wird Andreas Kümmert seinen Rückzug bekannt geben und Ann-Sophie die Vertretung Deutschlands beim ESC übergeben: Andreas Kümmert beim Finale des Vorentscheids

Er gewann 2013 die dritte Staffel der Castingshow "The Voice of Germany", ging auf Tour und stürmte die Charts: Andreas Kümmert (29, "Here I Am") war der neue Stern am deutschen Nachwuchshimmel. Dann der Eklat: Kümmert nahm 2015 am deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest teil - und gewann.

Doch noch auf der Bühne zog er seine Kandidatur zurück und überließ den Sieg der Zweitplatzierten Ann Sophie. Was um alles in der Welt war passiert? "Mir war klar, es würde mich überrollen, und ich werde es nicht verkraften", erzählt Kümmert jetzt im Interview mit dem Magazin "stern". "Ich musste nach Hause, meine Wohnung von innen zuschließen. Am ESC-Abend hat einfach meine Krankheit für mich entscheiden, dass ich Nein sage."

Mit diesem Auftritt bei "The Voice" wurde Andreas Kümmert über Nacht zum Star

 

"Extreme Angst vor dem Sterben"

 

Er leide unter Angststörungen und Depressionen, die er mittlerweile auch behandeln lasse. An Auslöser und Verlauf seiner ersten Panikattacke erinnert sich der gebürtige Unterfranke noch genau: Es sei vor "13, 14 Monaten gewesen", als ihn die Nachricht von seiner Teilnahme am ESC-Vorentscheid erreichte.

Auf dem Weg nach Hause beschlich ihn zum ersten Mal die würgende Panik: "Plötzlich hatte ich Atemnot. Ich schwitzte. Ich fror. Kaltschweiß". Er habe gedacht er sterbe, "ersticke, kriege einen Herzinfarkt." Kurzum: "Extreme Angst vor dem Sterben", die ihn danach immer wieder ereilen sollte. "Und dieses Wissen, das dich fertig macht, dass wirklich nichts auf dieser Welt einen Sinn ergibt".

 

"Ich brauch' die Öffentlichkeit - und hab' Angst vor ihr"

 

So liegen Genie und Wahnsinn scheinbar auch in Kümmerts Seele nicht weiter auseinander als bei Nietzsche, den er gern zitiert: "Im Lobe ist mehr Zudringlichkeit als im Tadel", diese Erkenntnis gefalle ihm. Denn sein überwältigender Erfolg kam über Nacht - und mit ihm das distanzlose Showbiz: "Ich habe in Kneipen und Bars gespielt, vor 10, 20, 30 Leuten. Plötzlich war ich in Hallen vor 2.000, 3.000 Menschen."

Er sagte Konzerte ab, packte sein Auto kurz bevor er auf die Bühne sollte: "Es ist ein Paradoxon für mich: Ich brauch' die Öffentlichkeit - und hab' Angst vor ihr." Im Netz machte sich derweil der blanke Hass auf Kümmert breit: "Soziale Medien?", fragt das Shitstorm-Opfer und stellt richtig: "Asoziale Medien!"

 

"Wie böse und primitiv der Mensch sein kann"

 

Kümmert wiederholt einen von vielen hässlichen Kommentaren, die auf ihn "einprasselten": "Ich hoffe, du verreckst auf der Bühne, Du fettes Schwein!". Er macht keinen Hehl daraus, dass er "kein Fan der Gesellschaft" ist, "aber da habe ich erst gemerkt, wie böse und primitiv der Mensch sein kann." Er habe Dinge über seine Mitmenschen gelernt, die er lieber nicht gelernt hätte. Heute passe er auf, was er sage, sei vorsichtig und misstrauisch geworden: "Das ist blöd. So will man nicht sein. Aber durch Schmerz wird man weiser."

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