Teenie-Schwarm a. D.

Ein blendend gutaussehender Mann mit scharfen, blauen Augen und schwarzem Haar, ein surfender Schönling, ein smarter Frauentraum – Ralf Bauer war vieles. Wer aber ist er jetzt?
von  Abendzeitung

Ein blendend gutaussehender Mann mit scharfen, blauen Augen und schwarzem Haar, ein surfender Schönling, ein smarter Frauentraum – Ralf Bauer war vieles. Wer aber ist er jetzt?

Nein, so ganz genau kann Ralf Bauer nicht sagen, wann der Druck zu groß wurde. Zehn Jahre? Bestimmt sind es zehn Jahre, sagt Bauer jetzt leise, so leise, als säße er nicht in einem Café, sondern spräche zu sich selbst – ruhig und ernst. Ralf Bauer sieht in diesem Moment nicht aus wie Ralf Bauer. Jedenfalls nicht so, wie man ihn kennt. Wie man ihn glaubt zu kennen.

Ralf Bauer ist für viele ja der Sunnyboy. Immer noch, oder noch immer. Je nachdem. Er ist ein Frauenliebling, Mädchenschwarm. Mit smartem Lächeln und mit sehr viel Charme.

Dank seines Charmes hat es Bauer mal geschafft, in acht Stunden 4499 Frauen zu küssen. Mehr als zwanzig Jahre ist das her, es war 1987, und brachte dem 19-Jährigen nicht bloß einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde ein – sondern dazu den Ruf des sensiblen Schönlings. Dieses Bild verfestigt sich: Anfang der Neunziger moderiert Bauer den „Disney-Club“, eine damals äußerst populäre Kindersendung. Später wird er surfender Strahlemann in der Serie „Gegen den Wind". Vier Jahre posiert Bauer an der Seite von Hardy Krüger jr. mit nacktem Oberkörper um die Wette – und wird so endgültig zum Traum von sehr vielen Mädchen.

Besucht man den Teenie-Schwarm von einst in seiner Wohnung, öffnet ein beschäftigter Mann mit Handy am Ohr. Bauer macht eine Kopfbewegung, man möge ihm ins Wohnzimmer folgen. Ein langer, alter Holztisch, ein breites Ledersofa. Kissen, Blumenkübel. In der Ecke eine Staffelei, an der Wand Bilder. Im Bücherschrank stehen Schillers-Werke als Gesamtausgabe.

Ralf Bauer lässig

„Hab ich mir vor Jahren mal gekauft", sagt Bauer, es klingt ein bisschen wie eine Rechtfertigung. Und übrigens stimme es nicht, dass Schiller ein besserer Dramatiker gewesen sei als Johann Wolfgang von Goethe, nein, gerade im „Urfaust" stecke sehr viel Energie. Bauer trägt Jeans, einen Reißverschluss-Pulli, eine dunkelgrüne Kappe, und an den Füßen Sandalen, er sieht sehr lässig aus. Er läuft im Wohnzimmer umher, zeigt ein wenig in der Wohnung herum, Dinge, die er von Reisen mitgebracht hat, er erzählt ein bisschen über Tibet, davon, wie schlimm die Situation gerade sei. Dann sagt er, dass er runter wolle, einen Kaffee trinken. Und fragt, was man denn nun eigentlich genau schreiben wolle.

Das hatte er schon beim ersten Telefonat getan. Bauer war zurückhaltend, seine Stimme klang skeptisch. Ein Porträt? Sein Yoga-Buch kommt erst Anfang Mai raus. Und erst im Mai steht er erneut vor der Kamera. Okay, zuvor fliege er noch für ein paar Tage nach Indien, er muss dort Spendengelder abgeben.

Bauer erzählt all das jetzt nochmal beim Cappuccino, es sprudelt aus ihm heraus. Er muss auch noch ins Studio, er spricht Christoph Meckels Roman „Licht" ein. Zwischendurch bereitet Bauer sein Bühnenprogramm vor, mit dem er im September durch die Republik tourt. Und außerdem schreibt er gerade mit seinem alten Kumpel Olli an einem Drehbuch. Bauer hat viel vor, er erzählt alles sehr bestimmt, aber irgendwie wirkt es auch ein bisschen gehetzt. Gar nicht nach sorglosem Sunnyboy.

Er spricht lieber über Theater

Womöglich liegt das aber auch daran, dass Ralf Bauer lieber über Theater spricht. Er erzählt von Peter Zadek, um deutlich zu machen, dass Regisseure, eben wie Zadek, ein Konzept brauchen, er spricht von George Tabori, er steht auf, zitiert Johann Wolfgang von Goethe und Büchner, und irgendwann fragt man sich, wie er das ausgehalten hat. Für viele so lange der surfende Schönling zu sein.

Wenn die Leute ihm heute sagen, dass er durch sein Einsatz für Tibet, durch sein Engagement für Rumänien, plötzlich ernst geworden sei, antwortet Bauer, dass er das immer war. „Man wird schnell in eine Schublade gesteckt", sagt er, und versucht dabei möglichst locker zu klingen. Viele Jahre lang hat Ralf Bauer geglaubt, er könne so weitermachen, er könne sich ewig weiter als smart-schöner Strahlemann besetzen lassen – aber das funktionierte nicht. Die Kluft zwischen ihm und der öffentlichen Rolle wurde mit den Jahren immer tiefer. „Das eine ist die Rolle, das andere die Person“, sagt Bauer, „und die Person war immer kritisch, und oft auch in sich gekehrt". Irgendwann wusste er dann, dass er so nicht mehr weitermachen kann. Damals ging es um eine Fernseh-Fortsetzung, Bauer las das Drehbuch und als er es ausgelesen hatte, war ihm klar, dass er es nicht machen wollte – aber dann ließ er sich doch dazu überreden. Bauer bereut das bis heute.

Und doch dauerte es noch Jahre, bis Bauer sich dazu durchrang, die Dinge selbst mehr in die Hand zu nehmen. Sein Drehbuch, die Tour, das Buch – lauter erste Schritte. Er freut sich auf sein Bühnenprogramm, er wird drei Wochen unterwegs sein, jeden Abend eine andere Stadt, die Menschen sollen sehen, wie sehr er Literatur liebt. Er hofft darauf, dass sie ihr Drehbuch verkaufen, es könnte der Anfang von etwas sein. Ralf Bauer ist jetzt 41, er läuft und läuft. Er ist kein Teeniestar mehr, er will sowas auch nicht sein.

Die Frage ist, was er sein will.

Jan Chaberny

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