Polanski ist die Fußfesseln los

BERN - Die Schweiz liefert den Star-Regisseur trotz der Vorwürfe, eine 13-Jährige vergewaltigt zu haben, nicht an die USA aus und hebt den Hausarrest in Gstaad umgehend auf
Zehn Monate nach seiner Festnahme in Zürich ist das Tauziehen um Roman Polanski beendet: Die Schweiz wird den Star-Regisseur nicht an die USA ausliefern, wie die Regierung in Bern gestern mitteilte. Auch der Hausarrest und die Überwachung durch elektronische Fußfesseln, die Polanski seit 4. Dezember 2009 an sein Chalet in Gstaad fesselten, sind Vergangenheit. „Polanski ist seit halb zwölf ein freier Mann“, erklärte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Die US-Justiz verfolgt den 76-jährigen Polanski wegen sexuellen Missbrauchs eines 13 Jahre alten Mädchens im Jahr 1977. Der Regisseur hatte damals ein Schuldbekenntnis abgelegt und saß 42 Tage in Haft, entzog sich 1978 aber dem weiteren Verfahren durch Flucht ins Ausland.
Die Schweizer Regierung erklärte, die amerikanischen Behörden hätten die vertraulichen Zeugenaussagen in Polanskis Verfahren nicht vorgelegt. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte, neben Zweifeln an der Darstellung des Sachverhalts im Auslieferungsgesuch spiele auch das Vertrauen eine Rolle, das Polanski in die Schweiz setzen dürfe. Der Regisseur sei seit 2006 Chaletbesitzer in Gstaad und in der Schweiz nie behelligt worden. Er sei im begründeten Vertrauen in die Schweiz gereist, keine rechtlichen Nachteile erwarten zu müssen.
Polanski war am 26. September 2009 nach Zürich gekommen, um beim Filmfest einen Preis für sein Lebenswerk entgegenzunehmen. Stattdessen wurde er aufgrund eines US-Haftbefehls überraschend bei der Einreise am Flughafen verhaftet. Gegen Zahlung einer Kaution von fast drei Millionen Euro und weitere Auflagen wurde er am 4. Dezember aus der Auslieferungshaft in einen elektronisch überwachten Hausarrest in seinem Chalet in Gstaad überführt. Seitdem trug er elektronische Fußfesseln.
Während Polanski in Haft saß und später unter Hausarrest stand, forderten zahlreiche Prominente öffentlich seine Freilassung. Der bekannte französische Philosoph Bernard-Henri Lévy initiierte sogar eine Petition gegen die Auslieferung Polanskis. Doch auch andere Stimmen waren zu hören: Die britische Schauspielerin Charlotte Lewis (44) wirft Polanski vor, sie im Alter von 16 in Paris sexuell missbraucht zu haben.
Seit 1978 lebte Polanski unbehelligt in Frankreich und reiste nie mehr in die USA – auch nicht im Jahr 2003, als er mit dem Oscar für die beste Regie im Holocaust-Drama „Der Pianist“ ausgezeichnet wurde. Zu seinen bekannten Filmen gehören außerdem „Ekel“ (1965 mit Catherine Deneuve), „Tanz der Vampire“ (1967), „Rosemary's Baby“ (1968) „Chinatown“ (1974) oder „Frantic“ (1988).
1933 als Sohn jüdischer Eltern in Paris geboren, zog er mit diesen 1936 ins polnische Krakau. Die Mutter verlor Polanski in Auschwitz, er überlebte im Versteck bei Kleinbauern.
Sein Handwerk lernte Polanski an der Filmhochschule in Lodz. Schon sein 1961 noch in Polen produziertes Kinodebüt „Das Messer im Wasser“ galt als Sensation und ebnete ihm den Weg in den Westen.
Zunächst arbeitete der Regisseur in England, dann in Hollywood. Sharon Tate, Hauptdarstellerin der Horror-Komödie „Tanz der Vampire“, wurde 1968 dort Polanskis zweite Frau. Hochschwanger wurde Tate im folgenden Jahr von Anhängern des Sektenführers Charles Manson ermordet.
va