Interview

Mehr als nur Spielerfrau: Jessica Contento räumt mit Vorurteilen und Klischees auf

Trotz einer eigenen erfolgreichen Karriere haben Ehefrauen von berühmten Fußballspielern mit dem gängigen Klischee der "Spielerfrau" zu kämpfen. Jessica Contento will sich das nicht gefallen lassen und hat den Vorurteilen den Kampf angesagt. In der AZ spricht sie Klartext: Sie ist mehr als das Anhängsel von Ehemann und Ex-FC-Bayern-Spieler Diego Contento.
von  Sven Geißelhardt
Jessica Contento ist mehr als das Anhängsel ihres prominenten Ehemannes, dem ehemalige FC-Bayern-Spieler Diego Contento.
Jessica Contento ist mehr als das Anhängsel ihres prominenten Ehemannes, dem ehemalige FC-Bayern-Spieler Diego Contento. © BrauerPhotos / Dominik_Beckmann

Während die Männer auf dem Fußballplatz alles geben, sind die Ehefrauen der Profis oftmals lediglich Beiwerk. Das Vorurteil: Hauptsache hübsch, aber sonst nicht viel dahinter! So oder so ähnlich lautet das Klischee, mit dem die Partnerinnen von berühmten Spielern auch heute noch zu kämpfen haben. Dass mehr als Influencerin und Werbefigur drin sein kann, hat jetzt Jessica Contento unter Beweis gestellt. Die Münchnerin hat mit der AZ über ihre Tätigkeit als Unternehmerin gesprochen und dabei auch mit den Vorurteilen einer Spielerfrau aufgeräumt.

Jessica Contento über Spielerfrau-Vorurteile: "Das hält sich weiter hartnäckig"

Jessica ist mit Diego Contento verheiratet, der von 2010 bis 2014 für den FC Bayern München auflief und sogar für die Nationalmannschaft spielte. Im März 2023 beendete der 32-Jährige seine Laufbahn als Profi, während seine Ehefrau mit ihrem Business durchstartet. Zusammen mit ihrem Bruder hat sie bereits 2017 die Nachhilfeplattform "Easy-Tutor" gegründet und unterstützt damit Schüler auf ihrem Lernweg. Zum Karriere-Ende ihres Mannes hat Jessica Contento mit einem Beitrag auf LinkedIn für Aufsehen gesorgt, in welchem sie einige Behauptungen über "Spielerfrauen" klarstellte. Sie sei weder faul, noch ein Statussymbol ihres Partners, verdiene ihr eigenes Geld und sei kein "90/60/90-Model". Die AZ hat mit ihr über das Klischee der Fußballer-Ehefrau, ihren Alltag und ihren Aufstieg zur Unternehmerin gesprochen. 

AZ: Frau Contento, Sie räumen aktuell mit dem Vorurteil Spielerfrau auf. Was stört Sie genau?
JESSICA CONTENTO: Eigentlich habe ich kein Problem mit der Bezeichnung "Spielerfrau”. Es ist nur so ein bisschen wie mit der Zuschreibung "Arztfrau”. Ich glaube, das würde heute niemand mehr sagen. Wobei sich "Spielerfrau” weiter hartnäckig hält. Ich möchte zeigen, dass Frauen nicht nur an der Seite eines Mannes stehen, berühmt oder nicht berühmt. Wir bewegen selber etwas, gehen unseren Berufen nach, verfolgen eigene berufliche Ziele und werden nebenbei oft noch Mütter – mit all den daran geknüpften Erwartungen. Ich möchte allen Frauen sagen, versteckt euch nicht und lasst euch nicht auf was auch immer reduzieren. Ihr seid großartig und macht einen tollen Job!

"Ich musste die Karriere meines Mannes über meine privaten Beziehungen stellen"

Woher kommen Ihrer Meinung nach die Behauptungen, dass besonders Partnerinnen von Fußballprofis "faul" sind, auf ihr Äußeres reduziert werden und lediglich Statussymbole sind?
Diese alten Vorstellungen sind in den Köpfen vieler Leute wohl noch fest verankert. Sie nähren das althergebrachte Bild von der Frau am Herd, die vom Geld ihres Mannes lebt. Das erscheint mir heute nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Einige Frauen bekannter Fußballer sind Models – so kommt wohl das Klischee-Bild des "schönen Beiwerks" zustande. Aber es ist nur ein Bild, das eine Oberfläche zeigt. Das sagt nichts über die Personen dahinter aus – nichts darüber, wie sie ihr Leben gestalten, wie sie arbeiten oder wie sie wirklich sind. Wird man mit solchen Sichtweisen konfrontiert, ist es meiner Ansicht nach wichtig, diese Zuschreibungen einfach nicht anzunehmen und möglichst bei sich selbst zu bleiben. Übrigens haben auch Frauen von Fußballstars, die nicht selbst in die Öffentlichkeit gehen, mit diesen Zuschreibungen zu kämpfen.

Haben Sie selbst schon Nachteile erfahren, weil Sie die Ehefrau eines ehemaligen FC Bayern-Spielers sind?
Unterm Strich denke ich, Vor- und Nachteile halten sich die Waage. Aber ja, schwierig ist es manchmal im Freundeskreis zu erkennen, wer wirklich an dir als Person interessiert ist und wer nur wegen der Bekanntheit Kontakt zu dir sucht. Ich musste auch lange Zeit die Karriere meines Mannes über meine privaten Beziehungen stellen, durch einige Umzüge oft den Freundeskreis neu aufbauen. Denn ein Fußballprofi hat ja nicht nur eine Station in seiner Karriere. So hat man zwar ein vermeintlich schönes Leben, aber das verliert schnell an Bedeutung, wenn man nicht mehr weiß, wer die wahren Freunde sind.

Werden Sie noch heute mit diesem Klischee konfrontiert?
Also, seit dem LinkedIn-Post nicht mehr (lacht). Ich denke, es ist noch immer wichtig, dass mehr Frauen nach vorne gehen und zeigen, wie ihre Wirklichkeit ist.

Sie sind privat mit Sarah Harrison befreundet, die als Influencerin mit ähnlichen Klischees zu kämpfen hat wie sogenannte "Spielerfrauen". Schweißen derartige Erfahrungen zusammen und wie unterstützen Sie einander?
Um einander gut zu verstehen, ist es sehr hilfreich, wenn Freunde ähnliche Themen und Erfahrungen haben. Und ja, es schweißt zusammen. Wir haben einen engen Kontakt trotz der Entfernung und sind füreinander da. Wenn es gerade mal wieder stürmisch zugeht, ist unser Rezept der gemeinsame Humor. Man sollte nicht immer alles zu ernst nehmen, was von außen an einen herangetragen wird. Wichtig ist doch, was man selbst von sich hält und natürlich die eigenen Freunde und Familie.

Hohe Ziele: Jessica Contento will mit "Easy-Tutor" zur "europaweiten Anlaufstelle Nummer Eins" werden

Mit Ihrem Bruder haben sie die Online-Nachhilfe-Plattform "Easy-Tutor" gegründet. Hat in der Geschäftswelt der Name Contento Türen geöffnet oder den Einstieg eher erschwert?
Es ist nicht ungewöhnlich in der Geschäftswelt, sein Netzwerk zu nutzen, ganz im Gegenteil. Natürlich hat der Name Contento auch schon mal eine Tür geöffnet, aber durchgehen muss ich immer noch selbst. Mit Easy-Tutor leisten wir unseren Beitrag, eines der größten Probleme unserer Zeit anzupacken – die schulische Bildung in Deutschland zu verbessern – indem wir Kinder und Jugendliche beim Lernen unterstützen. Die Notwendigkeit, hier etwas tun zu müssen, leuchtet also allen ein. Ich bin mir deshalb sicher, der Zweck des Unternehmens Easy-Tutor hat eine größere Wirkung als der Name Contento.

Jessica Contento hat 2017 mit ihrem Bruder Massimo die Nachhilfeplattform "Easy-Tutor" gegründet.
Jessica Contento hat 2017 mit ihrem Bruder Massimo die Nachhilfeplattform "Easy-Tutor" gegründet. © Easy-Tutor

Vergangenes Jahr wurden 4,8 Millionen Euro in ihr Business investiert. Wie wollen Sie "Easy-Tutor" weiter ausbauen, was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir entwickeln mit dem frischen Geld Easy-Tutor als digitale Plattform weiter und möchten vor allem auch gesund und nachhaltig wachsen. In den kommenden Jahren möchten wir europaweit Anlaufstelle Nummer Eins für Schüler:innen, Eltern und Schulen sein, wenn es um qualitativ hochwertige, digitale Nachhilfe geht, die auf den Faktor Mensch nicht verzichtet. Wir gehen zudem weiter relevante Partnerschaften mit Schulen und Vereinen ein. Aktuell nutzen über 200 Partnerschulen bundesweit und 40 Prozent der ersten und zweiten Bundesliga Easy-Tutor zur Lernunterstützung der Kinder und Jugendlichen. Wir wollen auch weitere Unternehmen für Kooperationen gewinnen, wie bereits zuvor schon EDEKA, die Müller Handels GmbH oder MediaMarktSaturn.

Nach Karriere-Aus: Ist Diego Contento jetzt der "Unternehmerinnen-Ehemann"?

Warum haben Sie sich der Bildung und Nachhilfe verschrieben?
Als Kind wollte ich immer Grundschullehrerin werden. In der Grundschulzeit war auch noch alles super und ich bin gern zur Schule gegangen, Mathematik war mein Lieblingsfach. Während der Pubertät hatte ich auch Schwierigkeiten in der Schule. Als Tochter italienischer Migranten waren vor allem Fächer wie Deutsch für uns nicht so ganz einfach. Meinen Eltern war es sehr wichtig, uns gut auszubilden, weshalb sie auch in Nachhilfe für mich investiert haben. Das hat mich dann bis zum Abitur unterstützt. Ich habe also selbst eine sehr positive Erfahrung mit Nachhilfe gemacht. Mein Bruder Massimo hat andersherum Nachhilfe gegeben und hat den Zugang von der anderen Seite. Easy-Tutor haben wir 2017 gegründet, zwei Jahre später kam meine erste Tochter in die Schule. Mir war also klar, das Thema Schule rückt näher und es gibt viel zu tun im Bildungsbereich. Statt klassischer Nachhilfe wie früher wollten wir mit einer digitalen und einfachen Lösung Nachhilfe auf das nächste Level und in die heutige Zeit bringen.

Gilt ihr Mann Diego seit dem Ende seiner aktiven Fußballer-Karriere nun als "Unternehmerinnen-Ehemann"?
Das hoffe ich doch (lacht). Nein, Spaß! Diego ist tatsächlich mein größter Supporter, er steht voll hinter mir und dem Unternehmen, was ja auch ein Familienunternehmen ist. Ich bin mir sicher, dass mein Netzwerk ihm auch umgekehrt Türen öffnen kann. Dann wäre das also wieder ausgeglichen.

Dem Vorurteil der "Spielerfrau" zufolge müssten ihre Tage sehr gemütlich gestaltet sein. Wie schaut Ihr Arbeitsalltag in der Realität aus?
Tatsächlich kann ich mich dunkel erinnern an gemütliche Tage, bevor ich mit Massimo 2017 Easy-Tutor gründete. Seitdem ist mein Alltag sicherlich geschäftiger, aber das möchte ich nicht mehr missen – auch wenn die Tage zwischen Business, Organisation der Kinder inklusive Schule und Familienzeit manchmal eine Herausforderung sind. Aber so geht es allen arbeitenden Müttern – und übrigens auch Vätern. Da bin ich keine Ausnahme und möchte es auch nicht sein. Easy-Tutor aufzubauen und damit Kindern und Jugendlichen konkret helfen zu können, motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

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