Kessler-Zwillinge: Trauer im Nobel-Vorort Grünwald – was vor deren Haustür passiert

In der Straße der Kessler-Zwillinge herrscht am Dienstagvormittag reger Betrieb. Nur wenige Meter entfernt sind Bauarbeiter dabei, ein Haus abzureißen. Direkt gegenüber von dem Haus, in dem Alice und Ellen Kessler am Montag gemeinsam ihr Leben beendet haben, ist eine weitere Baustelle.
Anwesen in Grünwald: An den Klingelschildern steht kein Name
Das Haus der Kessler-Zwillinge ist von außen nur bedingt einsehbar: hohe Fichten und eine dichte Hecke schirmen – wie in Grünwald nicht unüblich – alles Wesentliche von der Straße ab. An den Klingelschildern steht kein Name. Zu sehen sind lediglich eine Einfahrt mit zwei gleichen Garagentoren und das Dach mit zwei Giebelfenstern.
Kessler-Zwillinge planten Tod gemeinsam
Die Nachricht vom Tod der Kessler-Zwillinge hat am Montag die Welt erschüttert: Der Wunsch, auch im Tod vereint zu bleiben, begleitete die Schwestern schon lange, entsprechend offen gingen Alice und Ellen Kessler auch mit ihren Plänen um. Mithilfe der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hatten sich die beiden Frauen am Montag für einen assistierten Suizid entschieden – und augenscheinlich alles bis ins Kleinste geplant.

So ging am Tag ihres Todes sogar eine Kündigung ihres Abonnements bei der AZ ein. Carolin Reiber, die Moderatorin und Freundin der Kessler-Zwillinge, hatte zudem ein Paket mit einem Abschiedsbrief und persönlichen Schmuckstücken erhalten.
Vier italienische Kamerateams vor dem Haus
Einen Tag nach ihrem Tod warten vier italienische Kamerateams vor dem Haus der Kessler-Zwillinge.

Die Schwestern hatten es während der 60er-Jahre in Italien zu mehr Ruhm gebracht, als in ihrer eigentlichen Heimat Deutschland, verbrachten sogar 24 Jahre ihres Lebens dort. Während dieser Zeit posierten Alice und Ellen Kessler im Alter von 40 Jahren sogar für den italienischen Playboy – die Ausgabe war sofort restlos ausverkauft.

Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl: "Sie waren immer freundlich"
Noch aus dieser Zeit kennt auch Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl die Kessler-Zwillinge. Er erinnert sich, dass das Geschwisterpaar 1971 ein Haus für die Mutter, Elsa Kässler, gekauft hatte. Schon als Neunjähriger habe er die Zwillinge, die zu diesem Zeitpunkt nur zu Besuch aus Italien kamen, immer wieder gesehen, da sein bester Freund aus Kindertagen nebenan gewohnt hatte.
Später habe er die beiden Frauen dann in seiner Funktion als Bürgermeister kennengelernt: "Man hat sich gegrüßt und unterhalten, sie waren immer freundlich, ich habe sie sehr geschätzt." Erst im Sommer, nach der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens, hatte er Ellen und Alice Kessler noch im Rathaus empfangen, damit sich die Schwestern ins Goldene Buch der Gemeinde eintragen konnten.
Die Nachricht ihres Todes hat den Bürgermeister sehr getroffen: "Ich war sprachlos. Aber ich wusste auch, dass das Leben in den vergangenen Jahren für sie sehr beschwerlich wurde."

Auf dem Briefkasten der Kessler-Zwillinge, deren Doppelhaus nur durch eine Schiebetür getrennt war, sind eine rote Grabkerze und ein frischer Strauß weißer Rosen abgelegt worden.
Anmerkung der Redaktion: In der Regel berichtet die AZ nicht über Selbsttötungen – es sei denn, die Tat erfährt durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie bei der Telefonseelsorge: 0800–111 0 111 und 0800–111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist kostenlos.