Kein Grund, sich zu schämen: Christian Ulmen wird 50

Ein runder Geburtstag - 50! Andere posten an so einem Tag vielleicht einen rührseligen Rückblick auf ihr Lebenswerk. Oder sie schneiden wenigstens sozialmedienwirksam einen Käsekuchen an. Christian Ulmens Lebensjubiläum steht, von außen betrachtet, unter einem eher trüben Stern. Die Trennung von Collien Fernandes (43), seiner langjährigen Ehefrau und Mutter seiner Tochter wurde gerade erst öffentlich gemacht. Kein optimaler Zeitpunkt für Konfetti.
Und doch gibt es da einiges zu feiern. Ulmen hat in fünf Jahrzehnten eine Karriere hingelegt, die genauso eigenwillig wie einflussreich war: vom MTV-Moderator über den Kult-Fremdscham-Virtuosen in "Mein neuer Freund" bis hin zum gefeierten Serienschöpfer von "jerks." Und vom prämierten Kino-Star "Herr Lehmann" zum Tatort-Kommissar mit Zitatwürdigkeit. Privat ein rührend liebender Vater, hat er sich beruflich ein Gespür für Absurditäten kultiviert, das ihn zu einem der eigenständigsten Köpfe der deutschen Film- und Fernsehlandschaft macht.
Grundprinzipien: Fremdscham und Regelbruch
Christian Ulmen steht für den bewussten Regelbruch seit Jugendtagen. Das Multitalent wurde im bürgerlichen Hamburger Stadtteil Marienthal in einem eher linksalternativen Elternhaus groß. Dort macht er sein Umfeld zur ersten Experimentierfläche: "An der Schule waren auch wahnsinnig konservative Kinder vom Typ Hockeymädchen mit Perlenohrringen. Das Thema, was man darf und was nicht, war schon damals extrem präsent", wie er im Podcast "Hotel Matze" 2021 erklärt. Damals probt er auf drastische Weise den Bruch bestehender Regeln. Einmal dichtet er seiner Mutter sogar ein Alkoholproblem an. Seine Erkenntnis bis heute: "Scham, also die Angst, sich zu blamieren, ist ein sinnloses Gefühl. Und das macht es so lustig. Deswegen habe ich so viel Spaß daran, schamvolle Momente nachzuerleben, weil sie letztlich nur dazu taugen, Komik zu erzeugen."
"Vor Pannen hatte ich nie Angst."
Ulmen hat schon reichlich Moderationserfahrung bei Radio und Lokal-TV gesammelt, als er im Alter von 20 Jahren einem MTV-Talentscout auffällt. 1996 zieht er ins MTV-Studio in London und gehört schlagartig zur europäischen TV-Avantgarde, die den Look vieler Fernseh- und Internet-Formate bis heute prägt: "Wenn ich damals mit dem Cutter im Schnitt saß und sich zufällig eine Bildstörung, ein grünes Flackern, ins Bild schlich, rief er aufgeregt: 'Great! Look at this!' In einem deutschen Schnittraum hätte man sofort abgebrochen und nach dem IT-Techniker gerufen." Von Erfahrungen aus seiner Englandzeit profitiert er noch heute: "Ich habe sonst vor allem Möglichen Schiss. Aber vor Pannen oder Zufällen und unvorhergesehenen Dingen hatte ich nie Angst. In England habe ich gelernt: Das ist das Beste, was dir passieren kann."
Durchbruch in den 2000ern
Zurück in Deutschland geht es für den Hamburger stetig nach oben. In der Romanverfilmung "Herr Lehmann" feiert er seinen Durchbruch als Schauspieler. 2005 erschafft er mit "Mein neuer Freund" ein TV-Format, in dem Fiktion und Realität ineinanderfließen und das Peinlichkeit neu definiert. Ulmen brilliert als Scham-Bolzen Uwe Wöllner oder schnöseliger Alexander von Eich. 2008 gründet er seine eigene Produktionsfirma Ulmen Television GmbH, 2009 die Ulmen Film GmbH. Ab 2013 bis 2021 spielt er sich als Kriminalhauptkommissar Lessing an der Seite seiner guten Freundin Nora Tschirner (44) in die Herzen aller Tatort-Fans.
"Das kratzt an meiner Lust"
2017 hebt Ulmen als Autor, Hauptdarsteller, Regisseur und Cutter die Erfolgsserie "jerks." aus der Taufe und perfektioniert damit das nicht geskriptete Serien-Genre. Die Comedy-Serie heimst Comedy- und Fernsehpreise ein. Und sie bietet ihm als ihr allumfassender Macher abermals die Möglichkeit, mit TV-Regeln zu brechen. "Bei vielen Produktionen ist alles wahnsinnig stark choreografiert. Das kratzt an meiner Lust." Bei "jerks." schafft er alte TV-Rituale wie Lese- und Durchlaufproben oder langwierige Umbauten ab und setzt auf Spontaneität und Eigenverantwortung aller Mitwirkenden. Ulmen nennt es "an der Urlust als Schauspieler rühren."
"Ich vermisse so schnell"
Mit seiner lieb gemeinten Nonchalance führt er sich 2010 auch als Interviewgast bei der Viva-Moderatorin Collien Fernandes ein: "Er kam Kaugummi kauend ins Studio. Und dann nimmt er seinen Kaugummi und klebt ihn an meine Moderationskarte", erzählt sie bei Carolin Kebekus (45). Beim Dreh zur ZDFneo-Miniserie "Die Snobs - Sie können auch ohne dich" funkt es 2010 zwischen beiden. Noch 2011 heiraten sie und im April 2012 kommt ihre gemeinsame Tochter zur Welt. Aus beiden wird eines der erfolgreichsten und gleichzeitig gelassensten, weil medienerfahrensten Paare der deutschen Öffentlichkeit. In gemeinsamen Interviews geben sie sich uneitel und begegnen sich schon mal mit der ein oder anderen ironischen Frotzelei. Um seiner Familie nah zu sein, macht Ulmen den gemeinsamen Wohnort Potsdam zum Drehort von "jerks.": "Ich habe Schwierigkeiten damit, Abschied zu nehmen. Ich vermisse so schnell", bekennt Ulmen. Collien Fernandes wirkt ebenfalls in "jerks." mit, indem sie seine Ex-Frau spielt - eine Rolle, die zuletzt häufig als schlechtes Omen interpretiert wurde.
"Keiner" für Romantik zuständig
In den vergangenen Jahren müssen sich humorvoll formulierte Sticheleien zwischen beiden dann in Abkehr verwandelt haben. Seit 2021 ist Fernandes als "Traumschiff"-Ärztin Dr. Delgado auf den Weltmeeren um das Wohl ihrer Patienten bemüht. Privat fällt das Paar durch gemeinsame Werbespots für eine Online-Apotheke auf. Wieder regiert beißender Humor. So unterhalten sich beide im Bett liegend über Durchfall. Fernandes' Rat am Ende: "Du kannst es dir selber machen." 2023 ziehen beide nach zehn Jahren in Potsdam nach Mallorca um - spontan, wie Fernandes betont. Es wird jedoch vermutet, dass der Umzug auch mit Stalking-Erlebnissen zu Fernandes' Lasten zu tun hatte. Die Ehe kann der Umzug nicht retten - im Gegenteil. Am 4. September geben beide per schriftlicher Erklärung die Trennung "bereits vor einiger Zeit" bekannt. Dass Fernandes sich bereits von ihrem Doppelnamen getrennt hat, fällt sofort auf.
Im rbb-Interview erklärt Fernandes 2024, "keiner" von beiden sei in der Ehe für das Thema Romantik zuständig. Beide hätten in 14 Ehejahren "noch nie" ihren Hochzeitstag begangen - angeblich aus Zeitmangel. Vielleicht feiert Christian Ulmen heute also gar nicht - oder still, irgendwo zwischen Postproduktion und Post-Trennung. Vielleicht sitzt er mit seiner 13-jährigen Tochter beim Frühstück und erklärt, warum "50" nur eine Zahl ist, aber "Peinlichkeit" ein Werkzeug. Vielleicht schneidet er sich den Geburtstagskuchen heimlich selbst, im Bademantel, während er sich schon die nächste unbequeme Rolle ausdenkt. Aber wie auch immer er diesen Tag verbringt: Scham war bei Christian Ulmen nie Schwäche. Sondern Haltung. Und mit 50 darf man das ruhig mal schamlos feiern.