Jeff Bezos: Der gnadenlose Buchhändler
Jeder kennt Amazon, Millionen Menschen bestellen im nach eigenen Angaben weltgrößten Online-Shop Bücher, Filme, Kleidung und Möbel. Gegründet hat das Unternehmen Jeff Bezos, der sich vor allem durch seine Gnadenlosigkeit auszeichnet: gegenüber Konkurrenten, Mitarbeitern, aber auch dem Markt.
Wenn ein Chef zu seinen Angestellten Sätze sagt wie "Sorry, habe ich heute meine Dämlich-Pillen geschluckt?", "Sind Sie faul oder nur inkompetent?" oder "Überrascht es Sie, dass Sie diese Frage nicht beantworten können?", dann ist dieser Boss schonungslos und erbarmungslos. Mit genau diesen Eigenschaften beschreibt Autor Brad Stone in seinem neuesten Buch "Der Allesverkäufer" Jeff Bezos (49), Chef vom Internethändler Amazon.
Das Buch "Der Allesverkäufer" von Brad Stone gibt es online zu kaufen - natürlich bei Amazon
1994, im Alter von 30 Jahren, wagte Bezos den Schritt in die Selbstständigkeit und eröffnete einen Online-Buchhandel. 19 Jahre später ist der US-Amerikaner Herrscher über ein Unternehmen mit einem Marktwert von 92 Milliarden Dollar (Stand 2012). Zum Vergleich: Siemens liegt etwa auf Augenhöhe, Volkswagen ist etwa 77 Milliarden Dollar wert. Während die Umsatzkurve aber exponentiell stieg, blieb der Gewinn konstant niedrig, 2012 gab es sogar einen Verlust.
Für Bezos steht nicht im Mittelpunkt, Investoren oder Aktionäre mit kurzfristig beeindruckenden Zahlen zu befriedigen. Vielmehr trimmt er sein Unternehmen konsequent auf die Zukunft, investiert Gewinne sofort in Infrastruktur oder neue Geschäftsfelder fernab des Buchhanelds: Online-Datenspeicher, einen eigenen App-Store oder den Tablet-PC Kindle Fire. Denn der Princeton-Absolvent hat laut Stone ein Ziel: das größte Warenhaus der Welt, immer geöffnet. Als einer der ersten erkannte Bezos die Chancen des Internets, will allerdings auch erbarmungslos alle gebotenen Möglichkeiten ausschöpfen, um seine Geschäftsidee zu realisieren. Im Business-Englisch ist inzwischen der Begriff "to be amazoned" entstanden. Damit ist gemeint, dass man als Online-Konkurrent nur hilflos zuschauen kann, wenn Amazon einem Kundschaft und Profite wegnimmt.
Bezos nutzt gegenüber seinen etwa 88.000 Mitarbeitern angeblich sogar sein Lachen, um seine Position zu unterstreichen, Untergebene einzuschüchtern. Stone beschreibt es als "ein pulstreibendes Wiehern. Eine Kreuzung aus dem Paarungsschrei eines See-Elefanten und einem Elektrobohrer." Und es gibt nichts geschenkt: Angestellte müssen Snacks und Parkplätze selbst bezahlen, in Deutschland sorgen Streiks für bessere Bezahlung immer wieder für Aufsehen.
Trotzdem hat sich Amazon mittlerweile im Alltag von Millionen Menschen etabliert, beinahe allerdings unter einem anderen Namen. Benannt hatte Bezos seinen Online-Buchhandel ursprünglich Cadabra Inc., in Anlehnung an die Zauberformel Abracadabra. Als er seinem Anwalt davon allerdings am Telefon erzählte, verstand dieser "Kadaver", ein neuer Name musste her. Bezos ging die Suche analytisch an. Er wollte einen Namen, der mit "a" beginnt, um in den alphabetisch sortierten Suchlisten immer weit vorne zu stehen. Also schnappte er sich ein Lexikon, ging den Buchstaben "a" durch und stieß auf Amazon. Den größten Fluss der Erde, der um ein Vielfaches größer ist alle folgenden. Für die größte Buchhandlung der Erde, die damit noch lange nicht zufrieden ist.
Von Anfang an ein fester Bestandteil bei Amazon war das Bewertungssystem. Bezos hatte bereits als Kind eine solche Methode entwickelt, um mit seinen Klassenkameraden Lehrer bewerten zu können. Zudem führte der Firmengründer den One-Click-Kauf ein, das Shoppen sollte für die Kunden so einfach wie möglich sein. Oder wie Stone Bezos zitiert: "Unsere größte Sorge gilt dem Kunden."
Und der Kunde kann heute nahezu alles bei Amazon kaufen - von Windeln über Fernseher bis zum Hundefutter und Betten. Doch Bezos treibt seine Mitarbeiter erbarmungslos weiter an. Stone schreibt in seinem Buch von einer "Maximierung der Möglichkeiten des Internets hinsichtlich eines überlegenen Sortiments im Vergleich zum Angebot des traditionellen Ladengeschäfts." Verändert Amazon bald also auch die Einkaufspassagen in Innenstädten? Ins Englische übersetzt heißt gnadenlos und erbarmungslos "relentless" - aber auch unermüdlich. Wer "relentless.com" in seinen Browser eingibt, sieht, wie viel von Bezos' Schonungslosigkeit in seiner Firma steckt.
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