Halbgötter in Weiß? - Wir doch nicht!
München - Die Plastische Chirurgin Dr. Constance Neuhann-Lorenz, der Herzchirurg Prof. Bruno Reichart und der Orthopädische Chirurg Dr. Erich Rembeck gehören zu den besten Ärzten Münchens. Zu ihrem Kundenstamm zählen auch viele Prominente. Ein Dreier-Interview über prominente Patienten, medialen Druck und Operationen ohne Betäubung.
AZ: Herr Rembeck, Boris Becker, der ja gerade eine beidseitige Hüft-OP hatte, hat gesagt, wenn ihm etwas fehlt, ruft er als Erstes bei Ihnen an. Wie oft meldet er sich denn?
ERICH REMBECK: Jede Woche. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Ich bin nicht mehr nur sein orthopädischer Betreuer, sondern auch ein bisschen sein Hausarzt.
Hier lesen Sie die anderen Beiträge aus dem AZ-Gesundheits-Special
AZ: Halten sich Promis wie Becker, die in ihrem Alltag viel im Mittelpunkt stehen, beim Arzt für wichtiger als normale Patienten?
CONSTANCE NEUHANN-LORENZ: In der plastischen Chirurgie sind sie oft sogar erstaunlich schüchtern. Unangenehme Patienten sind die Ausnahme.
BRUNO REICHART: Mir ist das gar nicht immer so bewusst gewesen, wen ich da operiere. Das Wichtigste war den meisten, alleine zu liegen. Es kam aber auch mal vor, dass jemand seinen eigenen Koch mitgebracht hat. Das kann ich nachvollziehen, das Essen im Krankenhaus ist ja kein Sterne-Essen.
AZ: Herr Rembeck, Sie betreuen Eishockeyspieler, Fußballer, Tennisspieler. Wer ist denn von denen am sensibelsten?
Eishockeyspieler sind mit Sicherheit am schmerzunempfindlichsten. Innerhalb von einer Minute nähe ich dort ohne Betäubung große Wunden, die ich bei anderen großzügig steril abdecken würde.
NEUHANN-LORENZ: Warum eigentlich ohne Betäubung?
REMBECK: Weil's Zeit kostet.
REICHART: Das wollt' ich auch fragen, aber ich hab' mich nicht getraut (lacht).
REMBECK: In 60 Sekunden Wechselzeit muss alles fertig sein, da hältst du dich nicht mit örtlicher Betäubung auf.
REICHART: In den USA hat sich einmal ein Patient bei meinem Chef beschwert, ich hätte ihm ohne Betäubung irgendwas zusammen genäht. Der hat aber an einem Durchgangssyndrom gelitten und sich das nur eingebildet. Ich kann mich nicht erinnern, jemals jemanden nicht betäubt zu haben.
AZ: Frau Neuhann-Lorenz, Sie operieren mit Ihrem Hilfsprojekt auch viele Patienten in sehr armen Ländern. Haben Sie dort immer die Möglichkeit, zu betäuben?
Ich hab noch nie einen Grund sehen können, irgendetwas nicht zu betäuben, wenn auch nur mit Eis.
Fällt Ihnen dieser Spagat zwischen Münchner Promis und Brand- und Säureopfern in Indien oder Bangladesch leicht?
NEUHANN-LORENZ: Meine Einsätze sind immer wieder ein Kulturschock. Ich habe schon viel gesehen, oft ist mir der Atem stehen geblieben. Aber ich habe auch hier in München bei meinen prominenten Patienten das Gefühl, dass sie unter den Problemen leiden, mit denen sie zu mir kommen.
AZ: Rufen Promis persönlich beim Arzt an oder macht das ein Assistent?
REMBECK: Die Medizin ist immer ein 1:1-Umgang, da haben Assistenten eigentlich nichts zu suchen. Mich hat noch nie ein Assistent von irgendwem angerufen.
NEUHANN-LORENZ: Bei mir melden sich die Leute auch eher direkt, weil eine gewisse Scheu besteht, sich zu den Eingriffen, die ich mache, zu bekennen. Mein Personal weiß, dass meine Patienten von niemandem gesehen werden wollen.
AZ: Herr Reichart, Sie haben Johannes von Thurn und Taxis operiert. Danach wurde Ihnen vorgeworfen, Sie hätten ihm bevorzugt ein Herz beschafft. Steigt der öffentliche Druck auf einen Arzt, wenn er Prominente behandelt?
Ein bekannter Mensch hat die gleichen Rechte wie jemand, der nicht so bekannt ist. Es wird uns vorgeworfen, wir hätten damals nach Gutsherrenart die Organe vergeben, das war nicht so. Wir haben uns nicht wie Halbgötter in Weiß aufgeführt.
AZ: Aber haben Sie diese Vorwürfe im Nachhinein abgeschreckt? Haben Sie überlegt, in Zukunft die Finger von derart berühmten Patienten zu lassen?
REICHART: Nein, überhaupt nicht. Man darf sich nur nicht unterkriegen lassen.
REMBECK: Aber der Druck ist schon ein anderer, wenn du mit bekannteren Leuten zu tun hast. Bei mir geht es zwar nicht um Leben und Tod, trotzdem stehe ich genau unter Beobachtung, weil täglich sehr viel darüber geschrieben wird. Ich habe das immer als relativ belastend empfunden.
NEUHANN-LORENZ: Das kann ich nachvollziehen. Bei mir ist es enorm wichtig, dass man NICHT sieht, dass die Leute operiert wurden. Das ist schon sehr tricky und ich darf mich auf keinen Fall verplappern, also irgendwelche Namen in den Mund nehmen oder auch nur wissend dreinschauen.
AZ: Aber das ist im Alltag doch schwierig. Jeder kann vor Ihrer Praxis auf prominente Besucher warten.
NEUHANN-LORENZ: Natürlich, wenn jemand vor der Tür lauert, kann man das nicht verhindern. Wir versuchen die Termine so zu legen, dass wir die Promis an anderen Patienten vorbeischleusen können.
REMBECK: Meine Sportler hingegen werden oft sogar sehr gerne gesehen, weil sie eine Begründung für schlechte Leistungen kriegen.
AZ: Besteht auch gegenüber dem Patienten ein höherer Druck, wenn die Karriere vom Erfolg eines Eingriffs abhängt?
REMBECK: Nein, bei den Operationen geht es immer um den speziellen Fall und das medizinische Problem und nicht darum, dass ich jetzt eine Karriere ruinieren könnte.
NEUHANN-LORENZ: Angst haben eher die Patienten, die wissen, dass ihr Beruf auf dem Spiel steht. Vor allem Schauspieler fürchten sich wahnsinnig vor einem plastisch-chirurgischen Eingriff im Gesicht. Das ist ihr Kapital, davon leben sie. Auch Politiker sind sehr vorsichtig, weil sie auf keinen Fall negativ auffallen wollen.
AZ: Herr Rembeck, Sie haben ein Fitnessprogramm im bayerischen Landtag betreut, kürzlich hatten Sie den russischen Außenminister Sergei Lawrow in Behandlung. Ist Lawrow fitter als seine bayerischen Kollegen?
Ich glaube, ja. Das muss man lapidar zugeben.
- Themen:
- Bayerischer Landtag
- Boris Becker