„Er hat es krachen lassen“
Der deutsche Star-Regisseur Wolfgang Petersen spricht in der AZ über seinen engen Freund Bernd, dessen wildes Leben – und darüber, wie Eichinger die Hochzeit mit Katja verändert hat.
Er ist einer der ganz Großen in Amerika – und einer der engsten Vertrauten von Bernd Eichinger (†61): Blockbuster-Macher Wolfgang Petersen (69, „Das Boot“, „Outbreak“, „Troja“) spricht in der AZ über den Tod seines guten Freundes und verrät, warum er sich in der Vergangenheit so oft Sorgen um ihn gemacht hat.
AZ: Herr Petersen, unser herzliches Beileid. Wie haben Sie denn von Bernd Eichingers Tod erfahren?
WOLFGANG PETERSEN: Ich saß gerade im Auto, war auf dem Weg ins Büro. Die Sonne strahlte in Los Angeles. Meine Mitarbeiterin erhielt plötzlich einen Anruf und sagte mir, dass der Bernd gestorben sei. Ich hätte mit dem Wagen fast einen Unfall gebaut. Das war wie ein tiefer Schlag in die Magengrube. Eine halbe Stunde konnte ich erstmal gar nichts sagen. Bernd war doch noch so jung. Sein Tod kam völlig unerwartet. Wirklich schockierend. Und ich hatte noch gehofft und geglaubt, dass jetzt alles gut ist.
Wie meinen Sie das?
Naja, ich war quasi mein ganzes Leben lang mit Bernd verknüpft. Ich kenne ihn wirklich gut – und habe seine Wandlung miterlebt. Er war 1977 mein Verleiher bei „Die Konsequenz“ mit Jürgen Prochnow und natürlich auch beim „Boot“. Wir haben 1984 „Die unendliche Geschichte“ gedreht, die bis dahin teuerste Nachkriegsproduktion. Wir machten Furore, hatten mit dem „Boot“ so einen gigantischen Erfolg. Das war eine irre Zeit. Bernd war einzigartig, führte aber natürlich auch ein aufreibendes Leben. Deshalb sorgte ich mich um ihn.
War er ein Getriebener?
Er war ein Perfektionist. Er hat als Filmemacher über Jahrzehnte hinweg unglaublichen Erfolg gehabt. Er hat das Land geprägt. Bernd war der deutsche Film. Das ist allein schon beruflich ein hartes Leben. Dieses Erfolgs-Level immer zu halten oder gar noch toppen zu wollen. Den richtigen Riecher für die richtigen Stoffe zu haben, all die Projekte zu stemmen. Dazu kam sein extremer, wilder Lebensstil.
Und der bereitete Ihnen die meisten Sorgen?
Ja, klar. Bernd war damals starker Kettenraucher und hat wirklich viel getrunken. Er hat es einfach – wie man so sagt – krachen lassen. Sicher auch als Ausgleich. Mit Bernd fanden die tollsten Feste statt. Er war Lebensfreude pur. Doch so lustig das alles war, so sehr sorgten sich meine Frau Maria und ich mich auch um ihn. So ein Leben kann auf Dauer nicht gutgehen. Dafür muss man nicht mal ein Arzt sein, um das zu sehen.
Doch dann hatten Sie plötzlich Hoffnung?
Absolut. Ich war ganz verdattert – da stand eines Tages tatsächlich ein völlig neuer Bernd vor mir.
Welcher Tag war das?
Es war der Tag seiner Hochzeit. Kurz vor Weihnachten 2006 heiratete er die wunderbare Katja. Heimlich, intim, mit nur 30 Freunden in seinem Garten in Beverly Hills. Als ich ihn an diesem fröhlichen Tag sah, merkte ich, dass etwas passiert war. Ich hatte das Gefühl, dass er mit Katja angekommen war. Die Suche, diese Rastlosigkeit – alles vorbei. Mit Katja wollte er sein restliches Leben verbringen. Sie hat ihn verändert.
Wie hat sich diese Veränderung gezeigt?
Er hat sein wildes Leben abgeschlossen. Er hat es sogar geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören. Das war bei Bernd früher unvorstellbar. Und er hat deutlich weniger getrunken. Ein, zwei Gläser guter Wein – das konnte plötzlich an einem Abend reichen. Er hat sich von der Party-Welt verabschiedet und die Ruhe mit seiner Frau genossen. Bernd hat sich ja auch viel mehr nach Amerika zurückgezogen, um dort in Ruhe zu arbeiten. Er hatte in seinem Leben genug Stress gehabt. Jetzt lebte er stressfrei und hatte andere Themen.
Welche Themen waren das?
Bernd hatte zwei neue Lieblingsgesprächsthemen. Erstens sprach er oft über Freundschaft. Zusammen mit dem Filmemacher Günter Rohrbach haben Bernd und ich uns wie die Drei von der Tankstelle gesehen. Untrennbar, immer da für den anderen. Dass Bernd nicht mehr für uns beide da sein kann, dass er jetzt von einer Sekunde auf die andere überhaupt nicht mehr da ist – das ist das schrecklichste Gefühl. Beruflich ist er völlig unersetzbar. Wer soll auf ihn folgen? Die Frage kann ich wirklich nicht beantworten. Aber auch als Mensch ist er unersetzlich. Die Ära Bernd Eichinger geht zu Ende. Wir waren jahrzehntelang aneinandergebunden. Ein Leben ohne Bernd ist für mich nicht auszudenken.
Was war das zweite Lieblingsgesprächsthema?
Gesundheit. Das hat mich anfangs auch sehr überrascht, dann habe ich es verstanden. Bernd, der jetzt also sein Leben total umgekrempelt hatte, war so ungeheuer glücklich. Und weil er dieses Glück mit seiner Frau Katja festhalten wollte, hat er sich mehr um sich selbst gekümmert. Er sprach mit mir viel über Ernährung, hat auch viel gesünder gelebt. Er wusste, dass es viel nachzuholen gibt. Leider, leider hat er es nicht ganz aufholen können. Obwohl er jetzt in einer Ruhephase war, hat ihn die Vergangenheit eingeholt.
Haben Sie sich oft gesehen?
Wenn ich in München war, rief ich als erstes Bernd an. Wenn er dann sagte, dass er gerade in L.A. gelandet sei, mussten wir lachen. Aber der Kontakt, dieses starke Band zwischen uns, das war immer da. Wenn wir zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt waren, haben wir uns so gut wie immer gesehen. Bei ihm daheim oder bei mir. Voller Freude denke ich an seinen letzten Geburtstag im April zurück. Er hat ein tolles Fest geschmissen, es war ein so wunderschöner Tag. Bernd inmitten seiner Lieben war einfach glücklich. Sein Lächeln werde ich nie vergessen.
Jetzt ist er in einem Restaurant vom Stuhl gefallen.
Ja, unfassbar. Einfach so. Zack. Das ist ja schon wie in einem Film. Für Katja tut es mir so unendlich leid. Und natürlich für seine Tochter Nina – ich weiß noch, als sie im „Boot“-Jahr geboren wurde, und jetzt wird sie in diesem Jahr 30. Ein Wahnsinn. Die Zeit rennt wirklich. Beide sind mit Bernd ja noch ins Krankenhaus gefahren. Aber es war zu spät.
Was ist das Erste, das Sie mit Ihrem Freund Bernd verbinden?
Echte, seltene Freundschaft. Er meinte es entscheidend ernst mit einem. Auch wenn er mal weit weg war, so war er immer für mich da. Ich wäre gerne noch lange für ihn dagewesen. Er hinterlässt eine nicht zu füllende Lücke. Ich werde ihn wirklich ganz schrecklich vermissen.
Interview: Kimberly Hoppe
- Themen:
- Bernd Eichinger
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