Edgar Selge spielt einen Serienmörder

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Der Schauspieler Edgar Selge spielt einen Mann, der zum Serienmörder wird. Privat macht ihn auch viel fuchsig – etwa lange Warteschlangen in der Post, während drei Postler dabei zusehen.
AZ: Herr Selge, ganz schön schräge Figur, der Serienmörder Albrecht Ostermeier, den Sie im Hattinger-Krimi geben. Wie weit oben rangiert der auf der Hitliste Ihrer zwielichtigen Charaktere?
EDGAR SELGE: Schon ziemlich weit oben. Es war eine spannende Aufgabe, die Geschichte eines Menschen zu zeigen, der bewusst zum Mörder werden will. Das Leid, das er im Leben erfahren hat, empfindet er so tief, dass seine Zerstörungswut und -bereitschaft unendlich sind. Können Sie nachvollziehen, dass jemand so durchdreht weil ihm Unrecht geschieht? Ich finde das nicht schwer nachzuvollziehen. Wir alle machen Erfahrungen mit Machtmissbrauch, der sich an uns vollzieht, mit Vorgesetzten, oder mit Leuten, die einem vor der Nase sitzen. Unrecht zu erfahren, kennen wir alle, aber das verdrängen wir nur sehr schnell, weil wir in diesen Erfahrungen selber nicht so gut aussehen.
Wann sehen Sie rot?
Jede Form von Machtmissbrauch macht mich wütend. Ich bin da sehr empfindlich. Das gibt es überall: ob am Set, im Sender, am Theater oder bei der Post. Mich macht wütend, wenn die Post so voll ist, dass eine Schlange bis auf die Straße raus steht und da trotzdem drei Postler Pause machen und so tun, als würden sie das nicht wahrnehmen. Da werde ich wütend und sage was, auch mal sehr laut.
Sind Sie ein unbequemer Mensch?
Ich schlucke nicht leicht was, aber ich glaube nicht, dass ich deswegen unbequem bin. Das hat was Befreiendes, wenn man Stellung bezieht. Da ich in der glücklichen Lage bin, dass ich mir die Menschen, mit denen ich arbeite, aussuchen kann, muss ich mich beruflich kaum über Machtmissbrauch ärgern. Sonst könnte ich nicht produktiv mit jemandem zusammenarbeiten.
Inwiefern hat Ihr privates Engagement bei „Basta – das Bündnis für psychisch erkrankte Menschen“ mit Ihrer beruflichen Vorliebe für gebrochene Figuren zutun?
Basta ist auf mich zugekommen, da sie um meine Vorliebe für gebrochene Figuren wissen. Ich habe nicht nur Interesse, sondern auch Verständnis für Menschen mit schwierigen Biografien. Die Stigmatisierung von Menschen mit psychiatrischer Erfahrung in unserer Gesellschaft finde ich furchtbar. Nur weil sie empfindlicher auf Druck, Stress und Ellenbogengesellschaft reagieren. Eigentlich müssten wir denen dankbar sein, dass sie etwas für uns alle erleiden.
Kennt jemand mit Ihrem intellektuellen Hintergrund auch ganz profane Freizeitbeschäftigungen?
Habe ich auch. Ich sehe sehr gerne Fußball und bin ein Bundesliga-Anhänger. Samstagnachmittag bin ich entweder in der Allianz Arena, oder zumindest in einer Kneipe mit Sky-Decoder. Ich finde, Fußball macht am meisten Spaß, wenn man unter Menschen ist. Zuhause sitze ich nicht gern vorm Fernseher.
Schon mal „Bauer sucht Frau“ gesehen?
Nein, ich habe wenig Spaß daran, weil ich die Menschen in diesen Sendungen nicht wirklich als frei empfinde. Die versuchen, ihrem eigenen Klischee gerecht zu werden. Das hat etwas Zwanghaftes für mich. Auch der „Musikantenstadl“, oder wie das alles heißt, macht mich nicht glücklich. Ich habe eh nicht viel Zeit fürs Fernsehen, da ich 80 Prozent meiner Zeit damit verbringe, an Rollen zu arbeiten.
Was wären Sie, wenn Sie nicht Schauspieler wären?
Ich glaube, es hätte etwas mit Musik, Schreiben oder Regie zu tun. Einfach nur arbeiten, um Geld zu verdienen, ohne dabei Spaß zu haben, kann ich mir nicht gut vorstellen. Das kenne ich noch aus Studentenzeiten, wo ich mir mein Geld als Kellner und Wäsche-Ausfahrer verdient habe, aber da war das nur Mittel zum Zweck. Und eine gute Lektion, da ich es heute zu schätzen weiß, auf einer Speisekarte nicht auf den Preis achten zu müssen.
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