Eckart von Hirschhausen: "Mitleid mit den Klinik-Mitarbeitern"
Als Geschäftsführer der Stiftung "Humor hilft heilen" präsentierte Dr. Eckart von Hirschhausen die Ergebnisse einer Studie zum Thema "Schicksalsmühle Krankenhaus".
Berlin - Wie erleben Patienten, Pflegekräfte und Ärzte heute deutsche Krankenhäuser? Dr. Eckart von Hirschhausen hat gemeinsam mit seiner Stiftung "Humor hilft heilen" eine Studie zur Untersuchung "Schicksalsmühle Krankenhaus" in Auftrag gegeben und erstaunliche Ergebnisse zu Tage gefördert. Der Nachrichtenagentur spot on news hat der 46-Jährige erklärt, warum er sich um das Wort "Charité" ernsthafte Sorgen macht und welche Rolle Humor als Schutzfaktor für die Seele spielt.
Warum haben Sie die Studie gemacht?
Meine Stiftung "Humor hilft heilen" hat sich zum Ziel gesetzt, heilsame Stimmung im Krankenhaus zu fördern, mit Clowns für die Kinder, Workshops für die Pflegekräfte und Forschung. Wir wollten mit dieser Studie genauer herausfinden, was psychologisch zwischen Ärzten, Patienten und Pflegekräften passiert, wie sich Menschen in dem System Krankenhaus verändern und welche Rolle dabei Humor als Schutzfaktor für die Seele spielt.
Wie würden Sie die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen?
Das Krankenhaus ist so etwas wie eine "Schicksalsmühle". Egal, ob man dort arbeitet oder behandelt wird, steckt man sich an mit Stimmungen, Ängsten, Schicksalen. Ärzte, Patienten und Pfleger hängen tagtäglich intensiv voneinander ab, alle Beteiligten kämpfen, leiden und hoffen. Allerdings liegt momentan eine bleierne Schwere über dem Ganzen, eine deprimierende Haltung von "so wie es ist, kann es nicht weitergehen, aber ändern kann ich auch nichts". Umso wichtiger ist es zu betonen, welche manchmal kleinen Veränderungen im Umgang miteinander eine große Wirkung haben können. Alle Berufsgruppen konnten sich erinnern, dass ihnen komische Situationen begegnet sind, und sich mit einem Lachen dann oft viel Spannung löste.
Warum haben Sie die Befragung nicht mittels Fragebogen, sondern in langen persönlichen Interviews gemacht?
Die Methode der Forschungsinstituts Rheingold ist außergewöhnlich. Kein Ankreuzen, keine Skalen von 1 bis 10, keine Blitzumfrage am Telefon, sondern: lange persönliche Gespräche, wo Menschen frei erzählen können, assoziieren und neue Gedanken entstehen. 120 Menschen redeten über jeweils 120 Minuten. Das ist viel aufwendiger auszuwerten, aber ergiebiger als "laut einer aktuellen Umfrage können 98 Prozent der Deutschen ihre eigenen Ohren nicht sehen".
Wie kann man denn den Aufenthalt und die Stimmung in den Kliniken positiv verändern?
Was ist oft der erste Eindruck, den Patienten haben? Alle rennen herum, keiner erwartet mich, keiner hat Zeit. Allein ein kleines bewusstes Begrüßen und Instruieren bei der Aufnahme kann viele Ängste nehmen. Ein persönlicher Ansprechpartner, der einen durch die Zeit begleitet und auch für den Übergang zurück in den Alltag die Weichen stellt, ist dringend notwendig und sinnvoll. Viel von dem was in der Klinik als "Hygienevorschrift" oder "Sicherheit" deklariert wird, ist unsinnig. Es gibt keinen Grund, Wände weiß zu lassen. Es gibt keinen Grund, nicht besser auf Lärmvermeidung zu achten, damit Menschen auch schlafen können. Es gibt keinen Grund warum, wenn man auf einer Intensivstation lange auf dem Rücken liegt, nicht an der Decke etwas Schönes zu sehen ist. Der Patient hat das Recht, erwünscht zu sein und das zu spüren. Direkter menschlicher Kontakt ist durch kein Gerät zu ersetzen, und auch nicht durch billige Aushilfskräfte.
Welche Rolle spielen Klinik-Clowns?
Die Clowns sind Eisbrecher, weil sie außerhalb der Dienste und Hierarchien stehen. Sie haben Zeit, auf jeden individuell einzugehen und mit der Situation zu improvisieren. Im besten Fall sind sie integriert ins Stationsteam, bekommen vorher eine kleine Übergabe und melden was sie erleben auch zurück. Ihre erheiternde Wirkung spielt nicht nur für die Kinder eine Rolle, sondern auch für die Eltern, Angehörigen, Pflegekräfte und Ärzte. Ihre Präsenz gibt anderen die Erlaubnis, selber ihre humorvolle Seite zeigen zu können. Sie setzen einen entkrampfenden Impuls, der von allen anderen weiter getragen werden kann.
Was ist Ihnen an dieser Studie wichtig?
Ich habe ernsthaft Sorge, dass wir gerade ein großes kulturelles Gut leichtfertig verspielen und der reinen Ökonomie opfern. Das Wort "Charité" kommt nicht von Shareholder sondern von Caritas, der Nächstenliebe. Patienten sind keine Kunden, sondern Leidende, die Mitgefühl brauchen. So gestresst wie heute viele Mitarbeiter im Krankenhaus sind, haben die Patienten schon Mitleid mit denen, die dort arbeiten müssen. Verkehrte Welt! Wir bilden uns nicht ein, mit diesen Beobachtungen und Empfehlungen das Gesundheitswesen zu revolutionieren. Aber es kann schon helfen, alle Beteiligten daran zu erinnern, mit welchen idealistischen Ideen sie einmal begonnen haben, und für die es sich immer noch lohnt zu kämpfen.
Gibt es eine Geschichte, die Sie im Krankenhaus erlebt haben, die Sie geprägt hat?
1997 war ich mit einer Zaubershow auf Tour durch Krankenhäuser und Kinderkliniken. Ein Junge war schon länger in Behandlung mit "selektivem Mutismus", einer seelischen Störung bei der Kinder aufhören zu sprechen. Bei meinem Auftritt wurden alle Kinder involviert in die Zauberei, mussten laut zählen und mitmachen. Der Junge "vergaß" plötzlich seine Störung und machte munter mit. Ich bilde mir nicht ein, dass es der entscheidende Moment für ihn war, aber vielleicht war es genau der kleine Anstoß, der noch fehlte, um seine Heilung voranzubringen. Seitdem nehme ich die Rolle von Humor, Musik, Kunst und anderen Wegen uns zu "verzaubern" in ihrer Bedeutung für die Heilung viel ernster. Das war die Geburtsstunde von "Humor hilft heilen".