„Diese Welt ist krank“ – Ex-Kommunarde Rainer Langhans wird 70
MÜNCHEN - Seine Lockenmähne mag grau geworden sein – doch seine politischen Ideale sind noch die gleichen wie vor 40 Jahren. Ex-Kommunarde Rainer Langhans wird 70 und erklärt, dass er auf Uschi Obermaier nicht gut zu sprechen ist.
Sein Name steht wie kaum ein anderer für die 68er-Revolution und die sexuelle Befreiung. Seine Beziehung zur schönen Uschi Obermaier ist heute ein Teil deutscher Geschichte. In den 60er Jahren gehörte Rainer Langhans zu den Gründungsmitgliedern der legendären Berliner Kommune 1. Während die meisten seiner Mitstreiter sich von ihrem ehemaligen Ideal verabschiedet haben, lebt Langhans heute mit einem Harem von vier Frauen zusammen und schimpft immer noch gern über „Scheiß Spießer“. An diesem Samstag (19. Juni) wird Langhans 70 Jahre alt.
Sein Alter ist ihm kaum anzumerken. Ohne Mühe schwingt er sich auf sein rostiges Fahrrad und fährt durch den Münchner Stadtteil Schwabing, wo er seit Jahren wohnt. „Dass die Leute sich irre aufführen, das lernen sie in der Kleinfamilie“, sagt Langhans im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa und begründet damit, warum er sich stets bemüht hat, anders zu leben als die meisten Menschen.
Langhans wurde als erstes von vier Kindern in Oschersleben bei Magdeburg geboren. Sein Vater habe ihn „natürlich klassisch“ verprügelt. „Ich war ein komisches Kind“, sagt Langhans. Schließlich sei er von der Familie abgeschoben worden in ein strenges, freikirchliches Internat. Dann ging er freiwillig zur Bundeswehr, später nach Berlin, wo er zuerst Jura und dann Psychologie studierte. Beendet hat er das Studium nie. Weil es Differenzen mit seinem Professor gab, brach er die Arbeit zum Vordiplom ab.
Erst, als er im „Argumentclub“ Gleichgesinnte findet, glaubt Langhans, seine Bestimmung gefunden zu haben. „Da wurde mir klar: Ich bin total normal, und ich bin total gesund, wenn ich diese Welt als total krank ansehe.“ Er wird Mitbegründer der Kommune 1, deren Mitglieder sich gern alle zusammen nackt fotografieren lassen, gegen die Nazi-Generation, den Schah und den Vietnam-Krieg demonstrieren und ein Pudding-Attentat auf den US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey planen, das aber scheitert. Die Kommune sollte ein radikaler Gegenentwurf zu dem Leben werden, das die meisten Deutschen in den 60er Jahren und auch heute noch führen.
Frauen, Männer und auch Kinder lebten dort zusammen. Es wurde diskutiert, debattiert, gefeiert und geliebt. Die Kommune galt als Keimzelle der 68er Ideologie und als Feindbild für das bürgerliche Deutschland. Langhans beschreibt die Zeit heute als „Großekstase“, die vor allem von der spirituellen Verbindung der Kommunarden lebte - und vom schönen Foto-Model Uschi Obermaier, in die Langhans sich schwer verliebte. Erst, als sie eifersüchtig wurde und nicht wollte, dass Langhans auch mit anderen Frauen ins Bett geht, sei die Liebe eingeschlafen, sagt Langhans.
Heute lebt er mit vier Frauen zusammen. Die fünfte hat sich aus dem Harem zurückgezogen. Den Kontakt zu seinen Frauen, die alle eigene Wohnungen haben, hält er vor allem über seine beiden Handys, von denen eins bei einem Anruf wie ein Frosch quakt. Für eine Fernseh-Dokumentation ließ er sich, seine Frauen und den täglichen Zickenkrieg filmen. Er habe inzwischen kaum noch ein Problem mit Eifersucht, betont Langhans. Auch bei seinen Frauen sei es ruhiger geworden.
Mit vielen der Ex-Kommunarden liegt Langhans heute im Clinch. Auf Obermaier ist er wütend, weil sie der „Bild“-Zeitung gesagt hat, er sei „ein Brett im Bett“ gewesen und weil er in ihrem Film „Das wilde Leben“ nicht gut wegkam. Fritz Teufel ließ die Öffentlichkeit spöttisch wissen, Langhans rede mit Tomaten. Auch mit den jungen Linken von heute kann das 68er-Idol nichts anfangen.
Seine politisch Verbündeten sieht Langhans in der Jugend von heute, die den Großteil ihrer Zeit in Internet-Foren wie Facebook und StudiVZ verbringen und mit hunderten Menschen auf der ganzen Welt friedlich verbunden sind. Sie leben – so Langhans – das Leben, das er und seine Mitstreiter in den 60ern als Utopie entwickelt haben, in einer virtuellen Welt.
„Wir haben gewonnen. Das, was ich mir gewünscht habe, ist eingetreten. Wir leben alle in Kommunen – nur heute nennen wir das Communities“, sagt Langhans. Im Internet sieht er die Verwirklichung all seiner Träume. „Es geht nicht, die äußere Welt zu verändern – in der geistigen, virtuellen Welt verändern die jungen Leute heute aber sehr viel. Die Welt hier, die haben sie im Grunde schon aufgegeben.“
dpa
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