Die Quadratmeter-Klage
Streit um Grundstück in Tutzing: TV-Pfarrer Jürgen Fliege fühlt sich vom Verkäufer getäuscht – das Areal ließ sich nicht bebauen. Jetzt wird der Kaufvertrag aufgehoben und beide zahlen drauf.
MÜNCHEN Gut erholt, eher gelassen - so wirkt Jürgen Fliege (63) gestern auf dem Gang des Oberlandesgerichts (OLG) in der Prielmayerstraße. Dabei geht es für den TV-Pfarrer um viel Geld. Um 1,08 Millionen Euro um genau zu sein. So viel soll er laut Kaufvertrag vom 20. Februar 2009 für ein Grundstück in Tutzing bezahlen.
Doch Fliege fühlt sich betrogen und hat geklagt. Einer der Gründe: Das Grundstück sei mit 599 Quadratmetern genau einen Quadratmeter zu klein, um es laut Tutzinger Satzung neu bebauen zu dürfen. Das sei ihm arglistig verschwiegen worden. Die erste Instanz gab ihm Recht. Beim OLG-Termin einigt man sich darauf, dass der Vertrag aufgehoben wird.
Verkäufer Dieter L. war in die Berufung gegangen. Er pochte auf die Erfüllung des Vertrages. Seine Begründung: Die Problematik der Grundstücksmindestgröße von 600 Quadratmetern sei ihm nicht klar gewesen. Die Tutzinger Genehmigungspraxis sei nicht so streng wie die Satzung. Außerdem habe er angeboten, den zur Neubebauung notwendigen Quadratmeter vom Nachbargrundstück an Herrn Fliege zu verkaufen.
Was Fliege besonders wurmt: Er hatte ein freundschaftliches Verhältnis zu Dieter L. gepflegt. Deswegen seien auch die Absprachen mit dem Verkäufer des Grundstücks für ihn wichtiger gewesen, als die Notarverträge.
So hatte Dieter L. ihn bei einem Gespräch im Januar 2009 gebeten, auf einen Quadratmeter zu verzichten, ohne zu erwähnen, dass das Probleme bei einer Neubebauung geben könnte. Und dies obwohl man laut Richter „nach einem Abriss nicht einmal mehr eine Hundehütte auf dem Grundstück bauen dürfte“.
Der Vergleichsvorschlag des Senats „Wir heben den Vertrag auf, jeder trägt seine Kosten“ stieß zunächst beim Beklagten auf wenig Gegenliebe. Ihm sei ein Schaden von etwa 150000 Euro entstanden, weil Fliege nicht bezahlt habe.
Das Gericht wies darauf hin, dass nicht nur bei der Grundstücksgröße, sondern auch bei der Berechnung der Wohnfläche vielleicht nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. So sollen Kellerräume zu der Gesamt-Wohnfläche des vorhandenen Hauses hinzu gerechnet worden sein.
Dieter L. lässt sich überzeugen, es kommt zum Vergleich: Der Vertrag wird aufgehoben und keiner hat Schuld. Fliege zahlt zwar nicht 150000, aber immerhin 40 000 Euro. „Lehrgeld“, wie er es selber bezeichnet. John Schneider
- Themen: