„Der Knast war die Hölle“

Klatschreporter Michael Graeter über seine acht Monate im Gefängnis, falsche Freunde – und die Frage, ob die Münchner Gesellschaft ihm verzeiht
AZ: Herr Graeter, Sie sind seit ein paar Stunden wieder in Freiheit. Was haben Sie als Erstes gemacht?
MICHAEL GRAETER: Um halb sechs Uhr früh war mein Zwangsurlaub beendet. Ich habe gleich meine Frau und meinen Sohn getroffen, das war mir am wichtigsten. Die haben mich abgeholt.
Sie schauen ziemlich erholt aus, nicht wie einer, der gerade aus dem Knast kommt.
Das sagen alle. Es gibt Leute in der Gesellschaft, die würden in meinem Fall jetzt behaupten, dass sie ein paar Monate in Mexiko waren, oder so. Leider wissen bei mir zu viele Leute, dass ich acht Monate im Hotel Vier Eisenstangen logiert habe.
Was haben Sie eigentlich genau ausgefressen?
Es ging darum, dass ich eine Bewährungsauflage nicht erfüllt habe. Mein Geschäftsführer hat die Sozialabgaben von Mitarbeitern eines meiner Kinos nicht ordnungsgemäß einbezahlt. Eigentlich ging es nur um einen Betrag von 3500 Euro.
Deshalb wird man doch nicht zu so einer Strafe verurteilt.
Nein, ich habe ja auch drei Jahre Bewährung bekommen, also kein Gefängnis. Aber dann kam noch ein Verkehrsdelikt dazu. Das heißt: Bewährung nicht bestanden. Und dann bin ich in die Schweiz gegangen . . .
. . . und wurden schließlich nach Deutschland ausgeliefert. Wie muss man sich das vorstellen: Graeter im Gefängnis?
Ich habe dort viel gelernt. Zum Beispiel, dass im Knast heute vor allem Giftler und Wirtschaftsdeliktler sitzen. Räuber und Mörder gibt es da weniger. Das Frühstück gab es um viertel nach vier: Kaffee, der nach Spülwasser schmeckte und synthetische Butter, als Blümchen gestanzt.
Waren Sie in einer Einzelzelle?
Nein, nicht immer. Zuletzt habe ich mit einem recht netten Wirtschaftskriminellen die Zelle geteilt. Auf dem Weg von der Schweiz nach Deutschland habe ich alle möglichen Untersuchungsgefängnisse kennen gelernt, zum Beispiel in Zürich, das war ungefähr wie in Kabul, ohne Fenster. Und ständig wurde ich in diesen grünen Wagen mit den Sehschlitzen herumgefahren. Wie ein Schwerverbrecher. In Landsberg bin ich übrigens auch Herrn Wildmoser begegnet, der war Freigänger.
Jahrelang waren Sie der Liebling der Promis – was geht einem da im Gefängnis im Kopf herum?
In den ersten Monaten habe ich gedacht: Ich schaff’ das nicht. Ich hatte Platzangst, die Wände sind auf mich zugekommen. Gefängnis heißt ja außerdem: Zerreißprobe für die Ehe, Zerfall der Gesundheit, Zerstörung des Berufslebens. Es war die Hölle. Ich habe jeden Tag gebetet.
Glauben Sie, dass die Münchner Gesellschaft Ihnen verzeiht?
Mal sehen. Es gibt einige, zum Beispiel Gunter Sachs, die stellen sich bewundernswert hinter mich. Wie Prinz Eisenherz, das ist toll. Aber natürlich kann man gut sehen, wer sich von einem wegdreht und wer plötzlich wieder zu einem hin. Von manchen war ich jedenfalls überrascht, dass sie niemals angerufen oder nachgefragt haben. Andere, zum Beispiel Alfons Schuhbeck, waren großartig. Der hat meiner Frau einen Job gegeben, während ich nichts verdient habe.
Sie gelten als das Vorbild von Baby Schimmerlos, dem Klatschreporter aus der Kult-Serie „Kir Royal“. Baby ist in der letzten Folge auch abgestürzt . . .
Ja, stimmt. Ich halte mich an das Drehbuch.
Kann es sein, dass Sie sich irgendwann nicht mehr nur als Reporter gesehen haben, sondern selbst ein Teil der Gesellschaft werden wollten?
Nein, nein, das wollte ich nicht. Ich bin nur keiner von denen, die Informationen aus zweiter Hand abschreiben. Ich kenne alle Informanten persönlich. Pressesprecher, Agenturen und sonstige Zitatenspender lehne ich ab. Wenn Polanski nach München kam, hat er mich angerufen.
Aber dann haben Sie Cafés und Kinos eröffnet und selbst Partys geschmissen.
Das hab ich nur gemacht, um unabhängig zu sein. Das Café Extrablatt ist super gelaufen, deshalb hab ich die Kinos aufgemacht. Das in Schwabing war nach Franz Josef Strauß benannt und mit Fotos von ihm dekoriert.
Nicht Distanz, sondern Nähe war für Ihre Kolumne wichtig. Da ging es auch ums Koksen und Schnackseln . . .
Moment, es ging nicht nur um Klatsch, sondern um Sport und Kultur! Es ging um alle Menschen, die etwas bewegen. Und für die Saure-Gurken-Zeit hat man immer ein paar Glanznamen aufgebaut, zum Beispiel Prinz Poldi.
Wenn Sie heute das Klatschgewerbe beobachten – was hat sich zu früher verändert?
Der Boulevard spiegelt oft nicht die richtigen Leute wider. Man sieht bis zum Erbrechen solche Nullen wie Bohlen und Verona Pooth. Die ist das ultimative Nichts, und die geht mit Bodyguards durch die Gegend. So ein Hascherl!
Und wen vermissen Sie?
Wichtige Industrielle wie August Oetker und seine neue Frau. Oder tolle Sportler wie Olli Kahn. Über die will ich wissen, was sie heute machen.
Heute rennen überall Leserreporter mit Fotohandys herum . . .
Ist doch toll! Ich finde Paparazzi-Bilder spannender als diese gestellten Hofberichterstattungs-Fotos.
Interview: Arno Makowsky
Michael Graeter wird zukünftig für die AZ in regelmäßigen Abständen interessante Persönlichkeiten porträtieren.