Aldi-Gründer: Der Billigheimer
... ist der reichste Mann Deutschlands. Heute wird Aldi-Gründer Karl Albrecht 90. Vermutlich. Er scheut die Öffentlichkeit, gilt als Phantom. Ob er feiert, wo und wie er lebt – eine Spurensuche
Ein charismatischer Gewinnertyp ist er nie gewesen. Eher ein „leicht kauzig wirkender, dertailversessener und misstrauischer Geheimniskrämer, der überall das Licht ausknipst, die Rückseiten von Firmenrundschreiben als Notizpapier benutzt und in Hotels erst einmal den Fluchtweg studiert.“
Die Beschreibung gilt dem reichsten - und zugleich unbekanntesten – Deutschen: Aldi-Gründer Theo Albrecht und Sie stammt aus einem Buch des Unternehmensberaters und früheren Aldi-Top-Manager Dieter Brandes. Heute wird der Multi-Milliardär 90 – höchst wahrscheinlich. Er lebt so zurückgezogen, dass selbst sein Geburtsdatum - offiziell gilt der 20. Februar 1920 – vom Unternehmen als strikte Geheimsache gehandelt wird.
Sicher ist: Eine große Feier mit Blitzlichtgewitter, PromiAuftrieb und Würdigungen wird es nicht geben. Denn noch größer als das Vermögen des Unternehmers ist seine Öffentlichkeitsscheu. Das einzige bekannte Foto von ihm stammt aus dem Jahr 1987. Vermutlich lebt der Patriarch, genauer, das Phantom Albrecht, in einem bescheidenen Bungalow im baden-württembergischen Donaueschingen. Vermutlich – ein Wort das häufig in den Biografien über ihn auftaucht. Auch die Frage, ob er tatsächlich noch lebt, kann nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Präzise sind nur die Angaben zu seinem Vermögen. Mit seinen Discount-Läden hat der Chef von Aldi-Süd über Jahrzehnte Unsummen erwirtschaftet und ist mit 17,35 Milliarden Euro im letzten Jahr mal wieder und unangefochten die Nummer eins in der Rangliste der deutschen Milliardäre geworden – vor seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Theo (18, 75 Milliarden, Aldi-Nord).
Wer ihm gratulieren möchte, könnte die Post an die Zentrale von Aldi Süd (Burgstraße 37, 45476 Mühlheim/Ruhr) schicken oder es beim Nobelhotel Öschberghof im Schwarzwald versuchen. Die edle Golf- und Wellness-Oase (Slogan: „Genieß das Leben“, Einzelzimmer pro Nacht 259 Euro) hat nichts gemein mit dem kargen Ambiente der Aldi-Läden. Gehört der Öschberghof auch zum Reich von Karl Albrecht? Vermutlich. Genaues weiß mal wieder niemand. Jedenfalls gilt der betagte Milliardär als hervorragender Golfer und leidenschaftlicher Orchideenzüchter.
Wird er im privaten Kreis hier seinen 90. feiern? Die AZ fragte nach. „Dazu darf ich nichts sagen“, wiegelt Hotel-Direktor Alexander Aisenbrey ab. Hat’s die Aldi-Zentrale verboten? „Auch dazu kann ich nichts sagen. Wir wissen ja gar nicht, ob er 90 wird, ob er überhaupt Geburtstag hat.“ Und wenn ja? „Dann hat er 90 Jahre durchgehalten, nichts zu sagen und wird es auch jetzt nicht tun.“ Der Öschberghof-Chef macht’s ihm nach: „Egal, welche Fragen Sie haben“, sagt er freundlich, „ich bin nicht befugt, Sie zu beantworten.“
Das ist die Sprecherin in der Aldi-Zentrale in Mühlheim auch nicht. Nein, sie kann und darf nicht bestätigen, ob der Gründer 90 wird. Sie darf gar nichts sagen, erklärt sie am Telefon: „Presse-Anfragen werden nur per Mail beantwortet.“ Allerdings nicht bis zum AZ-Redaktionsschluss.
Ein Phantom und seine Geschichte – eigentlich Stoff für einen Hollywood-Film. Eine Art Ruhrpott-Variante des amerikanischen Traums. Karl und Theo Albrecht wachsen in ärmlichen Verhältnissen in Essen auf. Ihr Vater, ein Bergarbeiter, muss wegen seiner Staublunge für wenig Geld in einer Brotfabrik arbeiten. Die Mutter eröffnet daraufhin einen Kramerladen. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernehmen ihn die Brüder, bauen eine kleine Ladenkette auf. Der Durchbruch kommt, als das geschäftstüchtige Duo das Discount-Konzept für sich entdeckt. 1962 wird der erste Aldi-Markt eröffnet – Aldi wie Albrecht-Discount. Spartanisch eingerichtet, mit einem eingeschränktem Angebot und Dumping-Preisen revolutionieren die Billigheimer das Einkaufen in Deutschland. Inzwischen gibt es mehr als 4000 Filialen bei uns. Auch im Ausland boomt Aldi – als neuntgrößter Handelskonzern der Welt.
Einige Zahlen, jede Menge Verschwiegenheit. Seit der Entführung von Theo Albrecht 1971 – das Drama wurde nach 17 Tagen und mit sieben Millionen Mark halbwegs glimpflich beendet – ist die Unnahbarkeit der Brüder so legendär wie ihre Milliarden. Karl Albrecht, der die Geschäfte 1994 an zwei Manager abgegeben hat, hätte manchen Grund, heute zu feiern. Vermutlich tut er’s.Renate Schramm.
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