2raumwohnung: "Wir machen Anti-Frust-Musik"
Berlin - "Ich und Elaine", "36 Grad" oder "Sexy Girls" gehören zu den bekanntesten Songs von Musik. Für das Album "Achtung Fertig" ist das Duo nach Los Angeles, San Francisco und Berlin gereist. Mit einer, wie sie es bezeichnen, Kommune aus knapp 30 Leuten haben Inga Humpe (57) und Tommi Eckart (49) erstmals auch anderen Menschen das Steuer für ihr Sound-Segelboot übergeben und sich auf neue Klangexperimente eingelassen. Im Interview mit spot on news erklärt Humpe, weshalb man die Dramen im Leben besser ziehen lassen sollte und warum rosa Kakerlaken unzerstörbar, aber singbar sind.
Hier gibt es das Album "Achtung Fertig" zu kaufen
Frau Humpe, Ihr neues Album heißt "Achtung Fertig". Wie fertig waren Sie nach den Aufnahmen der Platte?
Inga Humpe: Diesmal waren wir gar nicht so fertig. Wir hatten uns bewusst viel Zeit für die Aufnahmen gelassen, da waren wir nicht so furchtbar überarbeitet.
Sie haben mit einer Kommune an Ihren neuen Songs gearbeitet. Wie ist das zu verstehen?
Humpe: Es war keine Kommune wie man es aus der Hippiezeit kennt. Wir nennen es nur so. Für uns ist es eine Herzens- und Arbeitskommune, weil wir dieses Mal mit vielen verschiedenen Menschen an unseren Texten geschrieben haben.
Ihre Aufnahmen bezeichnen Sie selbst als eine "Suche nach einem druckfreien Raum". Hatten Sie sich nach ihren letzten Alben selbst zu sehr unter Druck gesetzt?
Humpe: Ich glaube, wir leben alle in so einer Art Leistungsgesellschaft und da ist für jeden ein gewisser Druck ständig spürbar. Musik hat viel mit Gefühlen zu tun. Das wollten wir verstärken und bei den Leuten auch ansprechen. Wir wollten ein Gefühl von lockerlassen, entspannen und vor allem von sich selbst spüren vermitteln, denn darum sollte es in der Musik gehen. Der Druck muss raus, so wie das beim Tanzen eben ist. Wenn man gut tanzt, vergisst man die Probleme und den Stress, den man hat.
Wollten Sie mit dem Album auch aus Ihren eigenen Regeln ausbrechen?
Humpe: Regeln schleichen sich ein. Wir versuchen immer wieder aufs Neue, aus ihnen auszubrechen und die Befreiung von ihnen empfinden zu können.
Welche Regeln haben Sie sich aus Versehen selbst auferlegt?
Humpe: Zum Beispiel die Regel, dass Tommi und ich immer alles zusammen und zu zweit machen in der Musik. Wir haben uns deshalb bei "Achtung Fertig" verstärkt dazu entschieden, auch mal mit anderen zu schreiben. Wir kannten diese Leute dabei gar nicht. Wir waren immer der Meinung, dass nur wenn man sich gut kennt und super befreundet ist, man auch Musik machen kann. Im Nachhinein waren diese Begegnungen mit den anderen eine neue Erfahrung und richtig toll.
Sie sind auch privat ein Paar. Ist es dann nicht ohnehin schwer, in der Arbeit immer alles gemeinsam zu machen?
Humpe: Wir merken früh genug, wenn es kritisch wird und potenzielle Streitpunkte aufkommen. Wenn der andere zu einem über eine Text- oder Melodie-Idee sagt: "Das finde ich nicht gut", und man liegt dann schon daheim im Bett unter der Decke, muss man wirklich eine Pause machen.
In dem Song "Was sagt das Universum" gibt es am Ende eine Stelle, in der man nicht versteht, was Sie singen. Was ist das?
Humpe: Da haben wir einfach eine Passage von meinem Gesang rückwärts laufen lassen. Die Beatles hatten das auch mal und es ist sehr selten, dass man sowas passend einbauen kann. "Was sagt das Universum" war ein Lied, bei dem es als Outro wirklich gut funktioniert. Für uns hat das was von Weltall-Atmosphäre.
In einem Lied gibt es diese Zeile: "Rosa Kakerlaken gehen nicht so schnell kaputt". Wie kamen Sie auf rosa Kakerlaken?
Humpe: Ich habe eine Freundin, die hat auch so rot-blonde Haare wie ich und wir waren stundenlang in der Sonne gesessen. Da habe ich zu ihr gesagt: "So rosa Kakerlaken wie dich kriegt man auch nicht kaputt." Es ist schon ewig her, aber ich habe es nie vergessen. Es gibt so Worte, von denen man denkt, dass man sie nicht singen kann. Wie soll man das Wort Kakerlake in einen Song einbauen? Ich war mir immer sicher, dass es irgendwann ein Lied geben wird, in dem ich mal "rosa Kakerlake" singen kann und jetzt ist es endlich so weit.
Ihre Lieder und speziell Ihr neues Album klingen meist sehr unbeschwert und frei. Wie gehen Sie an Ihre Musik heran, um genau das zu erreichen?
Humpe: Ich glaube, es ist wirklich nicht einfach, es umzusetzen, dass es dann wirklich so klingt. Wir sagen immer, wir machen Anti-Frust-Musik. Dafür muss man aber sehr viel Frust aushalten können. Es gibt auch viele Ideen, die nicht so gut sind und es dauert, bis mal was richtig Gutes kommt. Man muss es aushalten, wenn man feststellt, dass ein Song oder eine Melodie, eine Idee noch nicht gut ist. Das ist das Schwierige daran.
Ist das nicht unheimlich anstrengend?
Humpe: Sehr. Die Gesellschaft hält Frust nur schwer aus, dabei lohnt es sich wirklich, genau das zu lernen. Man muss Kritik aushalten können, ohne sie kann man sich nicht weiterentwickeln. Durch sie wird man besser, klarer und leichter.
Wie gehen Sie mit mieser Laune um?
Humpe: Dafür habe ich kein Rezept. Ich glaube es wäre auch gar nicht gut, eines zu haben, dann würde man nur wieder alles zur Methode machen. Wenn man nicht gut drauf ist, steht man immer vor dem Problem, dass man diese Laune gerade gar nicht empfinden will. Man muss aber immer wieder die Kraft haben, dieses Gefühl anzunehmen. Keine Dramen! Ich fürchte wenn man erst mal in einem Drama steckt, hat man bereits etwas versäumt. Dann hat man vorher etwas nicht wahrgenommen und dementsprechend nicht gehandelt, um eine Katastrophe abzuwenden. Wenn man sich in einem Drama befindet, kann man eigentlich nur noch lachen.
- Themen:
- The Beatles