Zumwinkel vor Gericht: "Zu diesem Fehler stehe ich"

Der Steuerprozess gegen Klaus Zumwinkel beginnt mit einem selbstverwussten Auftritt vor Gericht. Erst lobt sich der Ex-Postchef über den grünen Klee, dann gibt’s das Geständnis – und am Montag wohl nur Bewährung mit Geldstrafe
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Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel kann auf eine Bewährnungsstrafe hoffen.
dpa Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel kann auf eine Bewährnungsstrafe hoffen.

BOCHUM - Der Steuerprozess gegen Klaus Zumwinkel beginnt mit einem selbstverwussten Auftritt vor Gericht. Erst lobt sich der Ex-Postchef über den grünen Klee, dann gibt’s das Geständnis – und am Montag wohl nur Bewährung mit Geldstrafe

Um viertel vor Sechs in der Früh war Heinz-Otto Labudda da. „Ich will’s verstehen“, sagt er. „Schließlich ist das mein ehemaliger Boss.“ Der Briefträger aus der Nähe von Wuppertal ist an diesem Donnerstag in das Landgericht Bochum gekommen, weil er Klaus Zumwinkel begreifen will, der hier vor Gericht steht. Der 56-Jährige ist in Briefträger-Kluft erschienen, er ist stolz auf seine Post, für die er seit über 40 Jahren arbeitet. Er hat Zumwinkel vertraut. Jetzt ist er maßlos enttäuscht, dass sein Ex-Boss, ein Multi-Millionär, den Hals nicht voll genug kriegen konnte und einen Großteil seines Geldes in einer Stiftung in Liechtenstein versteckt hat. Welches Urteil Labudda erwartet? „Ich bin kein Richter. Ich will’s nur verstehen.“

Briefträger Labudda wird diesen Prozess nicht verstehen. Er wird nicht verstehen, dass der Prozess für seinen Ex-Boss so schnell durchgezogen wird. Dass das Urteil in einem der spektakulärsten Steuerprozesse der Republik wohl schon feststeht. Dass Zumwinkel in diesem Prozess noch einmal sein Lebenswerk rühmen darf. Zum Preis eines Geständnisses. Das erspart auch dem Gericht jede Menge Arbeit.

Zumwinkel sitzt schon im Saal C 240, als die Zuschauer hinter die Glasscheibe dürfen, die sie von ihm trennt. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt seit jenem 14.Februar 2008, als ihn die Staatsanwälte vor laufenden Kameras zur Vernehmung eskortierten. „Es gibt hier keine Sonderbehandlung“, sagt der Vorsitzende Richter Wolfgang Mittrup. Und fügt hinzu: „Eine irgendwie gesetzte Absprache gab und gibt es nicht.“ Lediglich eine „Erörterung“.

Dann geht die Farce los. Die Staatsanwältin verliest die Anklage: Zumwinkel hat in den Jahren 2002 bis 2006 über seine Stiftung in Liechtenstein rund 970000 Euro Steuern hinterzogen. Jährlich kassierte er so Beträge von teilweise über 400 000 Euro am Fiskus vorbei. Die Straftat liegt auf der Hand, der Vortrag dauert nur wenige Minuten, Zumwinkel faltet die Hände.

Dann ist der Angeklagte dran: Er darf ausschweifend erzählen, wie er in Münster Betriebswirtschaft studierte und „aufgrund meiner vernünftigen Leistungen“ ein Stipendium für Amerika erhielt. Wie er später zur Post ging und die defizitäre Behörde in einen Dax-Konzern auf Welt-Niveau umkrempelte. „Die Post-Reformen sind ein großer Erfolg gewesen“, findet er und lächelt. Kein Wunder, dass sein Rat nicht nur von Kanzlern von Kohl bis Merkel, sondern auch – „aufgrund meiner Reputation“ – in vielen Aufsichtsräten gesucht wurde. Dafür gab’s das Bundesverdienstkreuz. Deutschland, signalisiert Zumwinkel, solle ihm dankbar sein.

Dass ihm von seinem Ruhm nicht mehr viel geblieben ist, verschweigt Zumwinkel. Den Posten als Post-Chef räumte er als erstes, das letzte Aufsichtsratsmandat hat er am 31.Dezember aufgegeben. „Nun bin ich im Ruhestand“, sagt er und belehrt gönnerhaft den Richter: Er sei „Bergsteiger“, kein gewöhnlicher „Bergwanderer“, wie es in den Unterlagen des Gerichts steht.

Dann, nach zweieinhalb Stunden, ist es endlich soweit. Zumwinkel gibt sein Geständnis ab. Er spricht ruhig, kalkuliert, nicht emotional. Er klingt wie früher, als er seine Quartalszahlen verkündete. „Der Vorwurf trifft zu“, sagt Klaus Zumwinkel. „Ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht. Zu diesem Fehler stehe ich. Ich bereue mein Fehlverhalten und werde die Folgen tragen.“ Mit den Finanzbehörden hat er sich geeinigt und Steuern plus Zinsen zurückerstattet. Dann entschuldigt er sich noch bei seinen Ex-Mitarbeitern für den „Fehler aus meinem privaten Bereich“. Sein Motiv: „Ich wollte Zinsen auf bereits versteuertes Geld nicht nochmal versteuern. Das sollte meiner Familie zugute kommen, keinem anderen.“ In einem AZ-Interview vor zweieinhalb Jahren hat er das deutsche Steuersystem als „fortgeführten Kommunismus“ beschimpft.

Der Richter ist zufrieden und schließt die Sitzung. Am Montag will er das Urteil verkünden. Es wird auf eine Bewährungsstrafe und eine Geldbuße hinauslaufen. Zumwinkel kann sich das leisten: Er besitzt eine 800 Jahre alte und fünf Millionen Euro teure Burg am Gardasee, dazu Finanzpapiere im Wert von acht Millionen Euro. In diesem Jahr erwartet er Einkünfte in Höhe von 600 000 Euro – netto. Von der Post, so berichtete der „Stern“, bekommt er 100 000 Euro Rente – im Monat.

Zumwinkel wirkt erlöst, spricht von einem „Schlussstrich“: „Ich will reinen Tisch machen.“ Wenn alles glatt läuft mit dem Verfahren, will er sich ganz auf seine italienische Burg zurückziehen.

Heinz-Otto Labudda schüttelt den Kopf. Mit der Entschuldigung seines Ex-Chefs kann er nichts anfangen. „Klar, der kriegt jetzt ein mildes Urteil“, sagt der Postbote. „Und so einer kann seine Geldstrafe ruckzuck bezahlen.“

Volker ter Haseborg

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