Zu alt für Kredit und Beruf
Eine Experten-Kommission legt Empfehlungen gegen die Altersdiskriminierung vor. Die AZ nennt die Probleme und zeigt, wo Senioren tagtäglich benachteiligt werden
München Das Schreiben der Bank an den Rentner zum 65. Geburtstag war gewohnt freundlich. Neben den Glückwünschen der Satz: Ihm werde der Dispo gekündigt - als Schutz vor Verschuldung. Der Fall der Rentners liegt in den Akten von Sascha Straub, Rechtsanwalt bei der Verbraucherzebtrale Bayern. Nur ein Beispiel für Altersdiskriminierung. Mit dem Thema befasste sich auch eine von der Antidiskriminierungsstelle des Bunders eingesetzte Kommisson unter dem Vorsitz des früheren Bremer Bürgermeisters Henning Scherf. Die Experten benennen erstmals Kritikpunkte.
Berufsleben: Die Kommission fordert, die Tarifparteien sollten ihre Regelungen zu Altersgrenzen überprüfen, ob sie angesichts des demographischen Wandles überhaupt noch sinnvoll sind. „Altersgrenzen sind schlicht dumm“ so Kommisions-Chef Henning Scherf bei der Pressekonferenz gestern in Berlin. Auch angemahnt: Bessere Fortbildungsmöglichkeiten für Ältere, damit sie länger im Job bleiben können. Was die Kommission nicht nennt, aber was für viele Alltag ist: Ab einem bestimmten Alter wird es auf dem Arbeitsmarkt immer schwieriger. Manche Firmen versuchen, ältere Mitarbeiter loszuwerden. So sorgte in München die Entlassung eines 54-Jährigen für Wirbel. Er war für seinen Arbeitgeber - ein Sportgeschäft - zu alt (AZ berichtete). Die Internetseite des von der Journalistin Hanne Schweizer betriebenen „Büros gegen Altersdiskriminierung berichtet von einer Studie eines Telefonkonzerns. Darin wurde die Gruppe der 35 bis 50-Jährigen als „ältere Arbeitnehmer“ bezeichnet. Die gut 1000 Konzernmitarbeiter über 50 Jahre tauchten in der Studie gar nicht auf.
Kredite: Ausgeklammert wurden von der Kommission die Bereiche des Finanz- und Versicherungswesens. Grund: Das geltende Antidiskriminierungsgesetz aus dem Jahr 2006 gilt nur bei sogenannten „Massengeschäften“. Kredite und Versicherungen werden jedoch individuell geschlossen, fallen also nicht unter das Gesetz. Rechtsanwalt Sascha Straub hat besonders Kredite untersucht. Sein Fazit: Gerade bei Finanzgeschäften ist die Diskriminierung von Senioren eine Grauzone. Da werden Rentnern schon mal von der Bank gefragt: „Wozu in dem Alter noch eine Kreditkarte?“ Oder eine Bank will einer Rentnerin nur ein billiges Auto finanzieren. Gibt es gar keinen Kredit, dann suchen die Senioren meist nach anderen Lösungen: Sie leihen sich Geld bei den Kindern, überziehen den Dispo und zahlen dabei horrende Gebühren. Oder sie versuchen es bei mehr oder minder dubiosen Finanzsanierern. Meist bleibt all das ohne Beschwerde. „Der Leidensdruck ist nicht so groß weil es Ausweichmöglichkeiten gibt“, begründet das Sascha Straub. Dabei wird das Thema Altersdiskriminierung besonders bei Finanzgeschäften immer aktueller: Senioren brauchen Geld für Haus- oder Wohnungsmodernisierungen oder etwa um die steigenden Kosten für ihre Gesundheit aufzubringen. Klappt es dann doch mit einem Kredit müssen Rentner oft noch eine Restschuldversicherung abschließen - für den Fall dass sie vor der Rückzahlung versterben.
Versicherungen: Ähnlich wie bei den Krediten ergeht es Senioren auch bei Versicherungen - auch hier werden sie benachteiligt. Mit einem Unterschied: Die Verträge werden ihnen im Gegensatz zu Krediten oft aufgeschwatzt. Deshalb sollte laut Sascha Straub mehr zum Schutz vor unsinnigen Verträgen getan werden.
Ehrenamt: Eine der Forderungen der Kommission ist auch die Aufhebung der Altersgrenzen beim Ehrenamt. Das „Büro gegen Altersdiskriminierung“ hat auch zu dafür viele Fälle aufgelistet: Dort findet sich beispielsweise der Fall, einer 77jährigen Frau, die als ehrenamtliche Hospizbegleiterin abgelehnt wurde - und das zu trotz staatlich anerkanntem Studiums. Und eine Feuerwehr hat angeblich in ihrer Satzung, dass man mit 55 Jahren nicht mehr Gemeindebrandinspektor sein könne.
Nebenjobs: Verdienen sich Frührentner mit einem Job noch etwas dazu, wird Geld von der Rente abgeschlagen - der Verdienstvorteil ist passé. Die Scherf-Kommission schlägt deshalb eine Spürbare Anhebung der Hinzuverdienstgrenze für Frührentner vor.
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