Zersplittertes Parlament in Sofia kompliziert Regierungsbildung
Sofia - Der konservative Wahlsieger GERB verfehlte die absolute Mehrheit deutlich: "GERB gewann die Wahl, nicht aber die Macht", schrieb die Zeitung "Sega" (Montag). Die Bildung einer neuen Regierung in Sofia dürfte außerordentlich schwierig werden.
Die zuletzt oppositionelle GERB von Ex-Regierungschef Boiko Borissow (2009 - 2013) bekam nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis 32,6 Prozent der Stimmen. Sie konnte sich damit leicht gegenüber 2013 (30,53 Prozent) verbessern, verfehlt aber klar die absolute Mehrheit.
Der große Verlierer sind die Sozialisten (BSP). Nach dem Scheitern der sozialistisch dominierten Regierung im Sommer stürzte die BSP mit 15,29 Prozent auf einen Tiefpunkt. Im Vorjahr hatten die älteste bulgarische Partei noch gut 26 Prozent erhalten.
Die Partei der türkischen Minderheit DPS - zuletzt Koalitionspartner der Sozialisten - legte kräftig von 11,3 auf 14,9 Prozent zu. Das Endergebnis könnte sogar höher ausfallen, wenn die in der Türkei abgegebenen Stimmen komplett ausgezählt sind. Fünf weitere Parteien - davon zwei nationalistische - schafften nach den vorläufigen Angaben der Zentralen Wahlkommission die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament. Die Wahlbeteiligung erreichte mit vorläufig rund 50 Prozent einen Negativrekord seit der Wende.
Unter den Parlamentsparteien dürfte allein der konservative und antikommunistische Reformblock um Ex-EU-Kommissarin Meglena Kunewa politisch als Koalitionspartner der GERB in Frage kommen. Für eine Regierungsmehrheit müsste aber noch eine dritte Partei mitspielen. Außerdem sind die GERB und der Reformblock zerstritten. Die Sozialisten wollten unmissverständlich in die Opposition ziehen.
Interimsregierungschef Georgi Blisnaschki warnte die Parteien davor, die Regierungsbildung zu verzögern. "Alles hängt vom gesunden Verstand der wichtigen politischen Kräfte ab", sagte der Juraprofessor Blisnaschki dem Staatsradio am Montag. Ein längeres Leben seines Kabinetts würde ein ungewolltes Experiment sei.
Das vom bürgerlichen Staatschef Rossen Plewneliew im August eingesetzte Übergangskabinett kann tatsächlich die vielen Probleme in Bulgarien nicht lösen. Das Team hat nur begrenzte Vollmachten und kann keine neuen Gesetze ins Parlament einbringen. Internationale Verträge wie etwa über einen IWF-Kredit dürfen die Interimsminister ebenso nicht abschließen. Das von Korruption geplagte Bulgarien steckt aber in seiner tiefsten wirtschaftlichen und sozialen Krise nach dem EU-Beitritt 2007.
Nicht zuletzt ist das einstige Ostblockland noch immer für seine Gasversorgung fast komplett von Russland abhängig. Die neue Regierung in Sofia dürfte eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Gasleitung-Projekts South Stream mit Russland spielen. Die Vorbereitungen für den Bau der bulgarischen Strecke wurden im Juni eingefroren, da die Regierung der Sozialisten die EU-Normen nicht eingehalten hatte. Der Wahlsieger GERB möchte South-Stream nur dann in Bulgarien bauen lassen, wenn alle Auflagen aus Brüssel erfüllt sind.
- Themen: