Yildirim-Auftritt: Besorgniserregend
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Während in der Türkei Regierungskritiker und Oppositionelle mit harter Hand verfolgt werden, während der Rechtsstaat ad acta gelegt wird, während Rede- und Meinungsfreiheit mit Füßen getreten werden, nutzt (oder besser: missbraucht) der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim eben diese Grundlage der Demokratie, um in Deutschland für ein zutiefst undemokratisches Präsidialsystem in seiner Heimat zu werben.
Der Rechtsstaat muss das aushalten
Und als wäre das nicht ohnehin schon genug, jubeln die Zuhörer – größtenteils Deutsch-Türken – Erdogans Marionette auch noch frenetisch zu. Das ist besorgniserregend und zeigt, wie ausgeprägt die Verehrung für den Autokraten Erdogan bei so vielen Menschen ist, die seit etlichen Jahren in Deutschland leben, oder die sogar hier geboren sind. Das zeigt, dass bei der Integration der türkischen Gastarbeiter und ihrer Nachkommen etwas gehörig schiefgelaufen ist. Und es zeigt, dass viele von ihnen die Rechte und Privilegien, die sie hier in Deutschland genießen, offenbar nicht zu schätzen wissen.
Zwar dürfte jeden überzeugten Demokraten hier die nackte Wut überkommen, doch Rede- und Meinungsfreiheit sind unantastbar. Der deutsche Rechtsstaat muss einen solchen Auftritt aushalten – aber er muss ihn nicht kommentarlos hinnehmen. Es ist begrüßenswert, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sowie zahlreiche (türkischstämmige) Politiker von Grünen und Linken ihre Stimme gegen die Yildirim-Show erheben.
Eine allerdings hält sich zu diesem Auftritt bedeckt: Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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