Worum es beim G7-Gipfel in Kanada geht

Vor sieben Jahren ließ Donald Trump einen G7-Gipfel in Kanada spektakulär scheitern. Kann diesmal ein Eklat verhindert werden? Statt Angela Merkel sitzt nun für Deutschland Friedrich Merz am Tisch.
Christiane Jacke, Michael Fischer und Ansgar Haase, dpa |
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Die kanadischen Rocky Mountains sind die Kulisse für den diesjährigen G7-Gipfel.
Die kanadischen Rocky Mountains sind die Kulisse für den diesjährigen G7-Gipfel. © Sophia Weimer/dpa
Kananaskis

Wozu gibt es eigentlich die G7? Seit dem Rausschmiss Russlands 2014 versteht sich die Staatengruppe als Wertegemeinschaft westlicher Demokratien, die sich im wachsenden Wettstreit mit Autokratien wie China und Russland behaupten muss. Wieviel von den Gemeinsamkeiten nach dem Start von US-Präsident Donald Trump in seine zweite Amtszeit noch übrig ist, wird sich in den kommenden Tagen beim Gipfeltreffen in den kanadischen Rocky Mountains zeigen. 

"Das wichtigste Ziel wird sein: Die sieben größten Industrienationen der Welt sind sich einig und sie sind handlungsfähig", sagte Kanzler Friedrich Merz vor seinem Abflug. Für ihn ist der Gipfel nach seinen Antrittsbesuchen bei den wichtigsten Bündnispartnern die erste größere Bewährungsprobe bei einem internationalen Treffen. Es könnte kompliziert werden. Der Jubiläums-Gipfel 50 Jahre nach der Gründung der Staatengruppe steht unter denkbar ungünstigen Vorzeichen.

Mit dem Beginn eines weiteren Krieges im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran kommt ein neues Konfliktthema auf die G7-Chefs zu. Das Thema werde sehr weit oben auf der Agenda stehen, sagte Merz. Die USA und die Europäer haben Israel zwar ihre Solidarität versichert, aber ohne die Offensive gegen führende Militärs und Atomanlagen aktiv zu unterstützen. Eine weitere Zuspitzung der Lage während des Treffens ist durchaus möglich.

Mit dem Ukraine-Krieg und dem Welthandel stehen in der Abgeschiedenheit der kanadischen Natur außerdem zwei Themen auf dem Programm, bei denen Trump und seine europäischen Verbündeten inzwischen weit auseinandergedriftet sind. Ob eine Annäherung möglich ist, ist völlig offen.

Wie geht Donald Trump in den Gipfel?

Unmittelbar vor dem Gipfel ließ der US-Präsident eine große Militärparade in Washington abhalten - zum 250. Gründungstag des US-Heers, der passenderweise mit Trumps 79. Geburtstag zusammenfiel. Es war eine militärische Machtdemonstration vor den Augen der Welt. Und mit ebendieser martialischen Bildsprache im Gepäck fliegt er nach Kanada. 

Allerdings gab es gleichzeitig landesweit Proteste gegen Trumps Politik unter dem Motto "No Kings" - Keine Könige. Nach Angaben der Veranstalter nahmen daran fünf Millionen Menschen an 2100 Orten teil. Trump hat in den ersten fünf Monaten seiner Amtszeit in schwindelerregendem Tempo Hand angelegt an die Demokratie und das Verfassungssystem in den USA. Auch international hat er einen Partner nach dem anderen vor den Kopf gestoßen - unter anderem mit Strafzöllen.

Warum ist Trumps Kanada-Besuch besonders brisant?

Trump schockte unter anderem mit öffentlichen Fantasien, fremde Territorien zu übernehmen. So drohte er an, dass sich die USA den Panamakanal "zurückholen" könnten, notfalls mit Militärgewalt. Außerdem erhob er Anspruch auf Grönland und den Gazastreifen - und er rief Kanada wiederholt dazu auf, Teil der USA zu werden. Nun besucht er das Nachbarland erstmals in seiner neuen Amtszeit und dürfte von der kanadischen Öffentlichkeit alles andere als freundlich empfangen werden. 

Was Grönland angeht, setzt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf dem Weg zum Gipfel ein Zeichen. Er legt einen Zwischenstopp auf der zu Dänemark gehörenden Insel ein - gemeinsam mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. 

Worum geht es für Kanzler Merz bei dem Gipfel?

Merz setzte bei seiner ersten Begegnung mit Trump im Weißen Haus in der vergangenen Woche darauf, mögliche Konfliktfelder zu umschiffen. Diesen Kurs will er auch in Kananaskis fortsetzen. Das erste Gespräch mit dem US-Präsidenten sei ja "harmonisch" verlaufen, heißt es in seiner Delegation. "Jetzt ist der nächste Test: Wie sieht es in einer Teamsituation aus und wie gut gelingt es den G7, diesen Teamgeist auch nach außen zu tragen."

Für Merz geht es aber auch darum, sich unter den Europäern zu behaupten und eine echte europäische Führungsrolle einzunehmen. Auf seinen ersten Reisen - vor allem denen nach Kiew und Washington - hat er Selbstbewusstsein dafür getankt. Nun folgt eine Serie wichtiger Gipfel. Nach dem G7-Treffen stehen für Merz noch diesen Monat der Nato-Gipfel in Den Haag und sein erster EU-Gipfel in Brüssel an.

Wie stark wird der neue Krieg in Nahost den Gipfel bestimmen?

Das hängt von der Entwicklung vor Ort ab. Bisher scheinen sich die USA und die Europäer einig zu sein, nicht aktiv in den Konflikt eingreifen zu wollen. Das könnte sich auf amerikanischer Seite aber schnell ändern. Es besteht die Befürchtung, dass die Führung des Irans auch Vergeltungsschläge gegen amerikanische Stützpunkte im Nahen Osten anordnen könnte. Für diesen Fall hat Trump bereits angekündigt, in einem noch nie dagewesenen Ausmaß zurückzuschlagen - und die nächste dramatische Eskalationsstufe wäre erreicht. 

Auch die Europäer stehen vor der Frage, wie sie sich nun konkret verhalten - auch militärisch. Macron hat angekündigt, Israel bei der Abwehr iranischer Luftangriffe zu helfen. Großbritanniens Premier Keir Starmer will Kampfjets in Region verlegen. Merz hat auf israelischen Wunsch bisher nur die Lieferung von "Feuerlöschmitteln" zugesagt. 

Alle hoffen jedenfalls zusammen auf eine diplomatische Lösung: "Iran und Israel sollten einen Deal machen und werden einen Deal machen", schrieb Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social.

Was kann die G7 in Sachen Ukraine erreichen?

Trumps vollmundiges Versprechen, den Ukraine-Krieg schnell zu beenden, hat sich als Luftnummer entpuppt. Die Europäer hoffen nun, ihn davon überzeugen zu können, dass seine Bemühungen nur dann eine Chance auf Erfolg haben, wenn der Druck auf Russland erhöht wird. 

So wollen sie zum Beispiel Einnahmen des russischen Staates durch Exporte weiter drücken, indem sie den Preisdeckel für den Verkauf von russischem Öl in Länder wie Indien oder China von derzeit 60 auf 45 US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass) senken. Der Preisdeckel war 2022 eingeführt worden und sieht Sanktionen gegen Akteure vor, die am Export von russischem Öl zu höheren Preisen beteiligt sind. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll in Kanada die Gelegenheit bekommen, noch einmal für weitere Unterstützung zu werben. Er ist am Dienstagvormittag (Ortszeit) zu einem Arbeitsfrühstück mit den Teilnehmern der G7-Gruppe eingeladen - ebenso wie Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

Gelingt es, eine weitere Eskalation des Zollkonflikts abzuwenden? 

Das ist neben der Unterstützung der Ukraine die zweite Frage, die für die Europäer absolute Priorität hat. Wenn bis zum 9. Juli keine Einigung erzielt wird, greifen nach derzeitigem Stand neue hohe US-Zölle auf fast alle Exporte aus der EU in die Vereinigten Staaten - und die EU würde ihrerseits mit Zöllen auf Einfuhren aus den USA antworten.

Um das zu verhindern, laufen seit Wochen Gespräche zwischen Brüssel und Washington – ob sie zum Erfolg führen, ist allerdings unklar. Trump sieht Zölle nicht nur als Instrument zum Abbau des amerikanischen Außenhandelsdefizits, sondern auch als Einnahmequelle, um Steuersenkungen zu finanzieren. 

Angeboten hat die EU den USA bislang eine gegenseitige Senkung von Zöllen sowie den Abbau von sogenannten nicht tarifären Handelshemmnissen, zu denen etwa unterschiedliche Vorschriften und Standards für Autos zählen. Zudem könnte die EU den USA den Einkauf von noch mehr amerikanischen Flüssigerdgas und Rüstungsgütern in Aussicht stellen.

Wird es beim Gipfel weitreichende Entscheidungen geben?

Weil die USA unter Trump in Bereichen wie Klimaschutz, Entwicklungshilfe und Welthandel drastisch vom bisherigen Engagement der G7 abweichen, wollen die Staats- und Regierungschefs vor diesem Hintergrund auf eine umfassende gemeinsame Abschlusserklärung verzichten. Eine Rolle gespielt haben dürfte dabei auch die Erinnerung an den letzten G7-Gipfel in Kanada im Jahr 2018. Damals hatte Trump das Treffen spektakulär platzen lassen, indem er kurz nach dem Ende die Zustimmung zur Abschlusserklärung zurückzog.

In diesem Jahr sind nun lediglich einzelne Erklärungen zu den Themen Migration, kritische Rohstoffe, künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Waldbrände und ausländische Einflussnahme geplant. Alles Weitere - wie zum Beispiel eine Verständigung darauf, gemeinsam mit neuen Sanktionen den Druck auf Russland zu erhöhen - wäre ein großer Erfolg.

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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