Bauernproteste in Bayern: Wütende Landwirte stellen Bürgermeister zur Rede

Die Demo-Woche der Landwirte ist eröffnet. Manche Kundgebungen in Bayern sorgen für Aufsehen.
von  Alexander Spöri
Marquartsteins (Landkreis Traunstein) Bürgermeister Andreas Scheck wurde von wütenden Landwirten zur Rede gestellt.
Marquartsteins (Landkreis Traunstein) Bürgermeister Andreas Scheck wurde von wütenden Landwirten zur Rede gestellt. © Screenshot: Facebook

München - Der Auftakt der bundesweiten Bauern-Protestwoche ist für bayerische Landwirte ein voller Erfolg gewesen. "Wir bedanken uns für die tollen Kundgebungen und Aktionen", sagt Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) zur AZ. Auch der Polizei und allen Einsatzkräften spricht er seinen Dank aus. "Mit über 100.000 Traktoren in Deutschland haben wir Landwirte ein deutliches Zeichen in Richtung Bundesregierung gesetzt."

Laut dem Interessenverband seien rund 60.000 Teilnehmer im Freistaat auf die Straße gegangen. Bei manchen Protesten zeigten die Landwirte ihr Unverständnis über den bundespolitischen Kurs, bei anderen Kundgebungen vermitteln die Bauern ein friedliches Bild von ihrer Berufsgruppe - als zusammenhaltende "Familie".

"Wollen auch Bauern werden": Landwirt organisiert Kinder-Demonstration in Bad Neustadt

Der Landwirt Christian Kergaßner aus dem unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld war einer von ihnen. "Wir wollen mit Rechten gar nichts zu tun haben", sagt er zur AZ. Am Montag wollte er auch deshalb mit einer besonderen Kundgebung in Bad Neustadt an der Saale mit rund 100 Kindern ein Zeichen setzen. "Wenn Mama und Papa demonstrieren, dann wollen die Kleinen auch dabei sein", erzählt Kergaßner. Aus diesem Grund organisierte er eine Rundfahrt für die Kleinen auf Tretschleppern. Dafür bastelten die Buben und Mädchen Schilder, auf denen sie ihre eigenen Botschaften verschriftlichten, wie der Landwirt erzählt. "Wir wollen auch Bauern werden", steht auf einem. Auf einem anderen heißt es: "Jetzt reicht es - nicht mit uns".

Rund 100 Kinder fahren bei einer Demonstration auf ihren Tretschleppern durch Bad Neustadt. Begleitet wurden sie dabei von ihren Eltern und auch der Polizei.
Rund 100 Kinder fahren bei einer Demonstration auf ihren Tretschleppern durch Bad Neustadt. Begleitet wurden sie dabei von ihren Eltern und auch der Polizei. © privat

Eine "Riesengaudi" sei die Aktion gewesen. Gestärkt wurden die Buben und Mädchen durch 86 Bratwürste, die am Ende aufgrund des Andrangs noch nicht einmal gereicht hätten. Auf dem Weg vom Marktplatz über die Falaiser Brücke schaltete dann auch die Polizei das Blaulicht für die Kinder an und lotste sie bis zur Hauptkundgebung der Bauern. "Ihr wollt ja richtig demonstrieren", habe ein Polizist zu den jungen Protestlern gesagt.

Bürgermeister soll Bauern beschimpft haben – dann stellen sie ihn zur Rede

Weniger harmonisch ging es bei einer Demonstration in Marquartstein im Landkreis Traunstein zu. Ein Video davon schlägt in den Sozialen Medien bereits hohe Wellen. Darin wirft ein Landwirt dem Bürgermeister der Gemeinde vor, Bauern beim Durchqueren der Ortschaft als "Klimakleber" beschimpft zu haben. Die Demonstranten sollten sich dem Video zufolge "verpissen", sonst würde Bürgermeister Andreas Scheck (Bürger für Marquartstein) die Polizei rufen.

Das wollten sich die Bauern offenbar nicht gefallen lassen. Sie positionierten sich daraufhin direkt vor dem Rathaus in Marquartstein und stellten den Ortsvorsteher zur Rede. Dabei machten sie Scheck klar, dass Bauern keine "Klimakleber" seien. "Wir wissen, dass wir den Verkehr blockieren, aber wir lassen jeden durch, der durch muss", heißt es in der Botschaft des Bauers im Internet. Hätte der Bürgermeister die Bauern am Montag gar nicht angesprochen, dann hätte in Marquartstein gar kein Protest stattgefunden, meint der Mann.

Doch jetzt müsse man nicht nur in Berlin "aufräumen", sondern auch in der Kommunalpolitik. "Ich weiß nicht, ob du das nicht mitgekriegt hast, aber in ganz Deutschland sind heute Demonstrationen und du hast auch eine Funktion als Bürgermeister", konfrontiert ein weiterer Protestler den Bürgermeister vor dem Rathaus. "Sie vertreten auch die Bevölkerung. Wenn Sie das nicht wissen, dann müssen Sie sich erstmal umschauen."

Nächste große Kundgebung des Bauernverbands in Augsburg

Auf AZ-Anfrage wollte sich Scheck zu den Vorkommnissen nicht äußern. Er bestritt den Vorfall nicht, wies jedoch darauf hin, dass einzelne seiner Aussagen von den Bauern inhaltlich aus dem Zusammenhang gerissen wurden.

Bis zum 15. Januar wollen die Bauern noch weiter auf die Straße gehen. In der Hauptstadt zeigen die Bauern besonders Durchhaltevermögen. Laut der "Berliner Zeitung" wollen dort einige bei Minusgraden vor dem Brandenburger Tor in den Traktoren übernachten. In Bayern geht es am Mittwoch mit einer Großveranstaltung in Augsburg weiter.

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