Wikileaks: Die Waffen des Netzes

Im Internet herrscht Krieg: Seitdem die Hackerszene die USA provozierte, tobt eine Schlacht um Geld, Informationen und um Macht. Der bessere Stratege wird sie gewinnen
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Kreditkartenanbieter geraten ins Visier der Wikileaks Anhänger.
AP Kreditkartenanbieter geraten ins Visier der Wikileaks Anhänger.

NEW YORK/ BERLIN - Im Internet herrscht Krieg: Seitdem die Hackerszene die USA provozierte, tobt eine Schlacht um Geld, Informationen und um Macht. Der bessere Stratege wird sie gewinnen

Wenn sich einst die Geschichtsschreiber fragen, wann eigentlich der erste Krieg im Internet stattfand, werden sie sich auf diesen Termin festlegen: Anfang Dezember 2010, die Wikileaks-Gemeinde gegen den Rest der Welt. Oder auch anders herum.

Das Wort Krieg ist nicht zu martialisch gewählt für das, was gerade durchs Netz tobt – hier Wikileaks, dort die mächtige US-Regierung mit ihren Verbündeten. Vorläufiges Fazit: Die Wikileaks-Gemeinde kennt sich besser aus mit den neuen Waffen des Netzes. Wie beim Hasen und dem Igel ist sie stets da, wo man sie noch nicht vermutet. Doch das heißt noch nichts: Kann gut sein, dass die alte Welt der Politiker und Finanzriesen einfach zu mächtig ist und Wikileaks am Ende schlicht platt macht. Doch worum geht es eigentlich und wie wird dieser Krieg geführt?Die AZ zieht eine Zwischenbilanz:

Phase 1: Eröffnung. Es ist noch nicht einmal zwei Wochen her. Die Enthüllerplattform Wikileaks stellt 250.000 geheime Dokumente ins Netz und stellt damit die USA und zahlreiche andere Regierungen bloß. Das Internet wird zum Marktplatz des Geheimnisverrats – jeder kann nachlesen, was zuvor nur wenige Eingeweihte wussten: von banalem Tratsch bis zu hochbrisantem Material.

Phase 2: Der Gegenschlag. Die USA sind getroffen – wie stark, das zeigt sich schon daran, dass sich wie selbstverständlich blutrünstige Stimmen in die Diskussion mischen. Im Land wird diskutiert, ob Wikileaks-Gründer Julian Assange als Hochverräter zu behandeln und hinzurichten sei. Der Kampf ums Internet als Machtmedium hat begonnen.

Phase 3: Zermürbung. Von da an geht es Schlag auf Schlag und das natürlich rein zufällig, wie US-Regierungsvertreter betonen, ohne dabei rot zu werden. Der Internethändler Amazon sperrt Wikileaks den Speicherplatz. Ebay-Tochter Paypal, ein Online-Zahlungsunternehmen, friert alle Spenden an Wikileaks ein. Die Kreditkartenriesen Mastercard und Visa sperren Wikileaks von allen Geldströmen aus. Das Imperium, so scheint es, hat zurüchgeschlagen und den aufmüpfigen Störenfried erledigt. Doch der erste Eindruck täuscht. Denn jetzt kommt...

Phase 4: Guerillataktik. Seit Mitte dieser Woche zeigt die Hackerszene, was sie drauf hat. Wie die Dominosteine fallen reihenweise Großmächte der Finanzindustrie, als Wikileaks-Sympathisanten Rache nehmen. Die Webseiten postfinance.ch, mastercard.com, visa.com gehen vom Netz, weil die Wiki-Fans sie mit relativ einfachen Attacken lahmlegen: mit sogenannten DDOS-Angriffen, das steht für „Distributed Denial of Service“. Geballte Online-Anfragen an die jeweiligen Server sorgen dafür, dass diese in die Knie gehen. Dafür reichen schon ein paar hundert Leute mit etwas Zeit. Der Imageschaden für die Kreditkartenindustrie ist gigantisch. Paypal lernte die Lektion gestern – und gab eingefrorene Gelder frei. Und Wikileaks legte nach: Natürlich rein zufällig veröffentlichte man gestern ein Dossier über politisch-wirtschaftliche Vertstrickungen von Mastercard und Visa in Russland.

Phase 5: Ausweitung der Kampfzone. Seit gestern schießen die Wikileaks-Freunde gegen alles, was ihnen zu nahe kommt. Ob Stockholmer Staatsanwaltschaft (wegen der Sex-Vorwürfe gegen Assange) oder US-Politikerin Sarah Palin (als herausgehobene Kritikerin) – die Wiki-Krieger attackieren im Internet alles, was sie bedroht. Und der Kampf erreicht mit den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook den Massenmarkt. Die sperren die Hacker aus, die sich unter dem Pseudonym „Anonymous“ verbergen. Doch die Szene findet sofort neue Kurznamen, unter denen sie sich bei Twitter ungerührt weiter austauscht. Fehlt noch:

Phase 6: Waffenstillstand und Friedensschluss. Die lassen bis erst mal auf sich warten... Frank Müller

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