Westen plant "Marshall"-Plan für angeschlagene Ukraine

Die EU will der finanziell maroden Ukraine nun doch groß angelegte Finanzhilfe anbieten - aber nur im Falle einer Übergangsregierung.
dpa |
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Die Europäische Union will der finanziell maroden Ukraine nun doch groß angelegte Finanzhilfe anbieten - aber nur im Falle einer Übergangsregierung. Hinter den Kulissen feilschen Präsident Janukowitsch und die Opposition um Posten.

Kiew/Brüssel - Mit einem "Marshall-Plan" für massive Finanzhilfe will die Europäische Union das Tauziehen mit Russland um die Ukraine doch noch für sich entscheiden. Das Geld soll aber offenbar nur fließen, falls in Kiew eine Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition um Vitali Klitschko gebildet wird.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigte in Brüssel, dass die EU mit anderen Partnern zusätzliche wirtschaftliche Hilfen für die Ukraine prüfe. "Was wir für ein Land in Schwierigkeiten tun können, ein Land vor riesigen Herausforderungen, ob wir da etwas mehr tun können in dieser besonderen Phase, das diskutieren wir mit anderen Partnern", sagte Barroso. Einen "Bieterwettbewerb" mit Russland lehnte er aber ab. Das finanziell beste Angebot der EU sei die Öffnung des größten Binnenmarktes der Welt für die Ukraine.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier befürwortete den Plan. "Die Ukraine braucht unsere ganze Hilfe, dass dieses Land politisch wieder auf die Beine kommt", sagte er am Abend in London. "Man darf nicht übertrieben optimistisch sein, aber feststellen, dass einiges jetzt gelungen ist in den Verhandlungen." Zuvor hatte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton gesagt, EU und USA arbeiteten an einem gemeinsamen Finanzplan für die Ukraine.

Ein ursprünglich für Montag geplantes erneutes Treffen von Präsident Viktor Janukowitsch mit Regierungsgegnern wurde auf Dienstag verschoben. "Wir haben lange auf ihn gewartet, dann wurde uns mitgeteilt, dass der Präsident immer noch Fieber habe und er sich deshalb erst Dienstagfrüh erneut mit uns treffen will", sagte Oppositionspolitiker Vitali Klitschko der Online-Ausgabe der "Bild-Zeitung.

Der Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk kündigte an, dass die Janukowitsch-Gegner bereit seien, Regierungsverantwortung zu übernehmen. "Wir haben bisher nur ein Modell diskutiert - dass die Opposition die ganze Verantwortung übernimmt", sagte der frühere Außenminister im regierungskritischen Fernsehsender 5. Kanal. "Das bedeutet, dass wir (...) das Land aus dem Loch ziehen, in das es die Regierung und der Präsident gezogen haben."

Zuvor hatten Jazenjuk und Klitschko ein Angebot Janukowitschs abgelehnt, leitende Regierungsposten zu übernehmen. Die Opposition beharrt auf dem Rücktritt des Präsidenten. Allerdings einigten sich radikale Demonstranten nach eigenen Angaben mit der Führung auf eine Freilassung aller festgenommener Protestierer bis zum Freitag. Im Gegenzug wollen die Regierungsgegner die besetzte Stadtverwaltung von Kiew sowie Barrikaden auf der Gruschewski-Straße im Regierungsviertel räumen. Klitschko fordert bisher die bedingungslose Freilassung der Demonstranten.

Die Proteste waren Ende November ausgebrochen, nachdem Janukowitsch ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der EU in letzter Sekunde auf Druck Russlands gestoppt hatte. Nachdem der Präsident dann Mitte Januar demokratische Freiheiten per Gesetz eingeschränkt hatten, kam es zu blutigen Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei. Mindestens vier Menschen starben, mehr als 500 wurden verletzt.

An seinem ersten Arbeitstag nach längerer Krankheit warnte Janukowitsch vor Hass im Streit mit der Opposition. "Es ist unerlässlich, Nein zu sagen zu Extremismus, Radikalismus sowie der Entzündung von Feindschaft in der Gesellschaft, auf deren Grundlage der politische Kampf um die Macht steht", sagte der 63-Jährige nach offiziellen Angaben. Janukowitsch war wegen hohen Fiebers und einer Erkrankung der Atemwege tagelang medizinisch betreut worden.

An diesem Dienstag wird Ashton in Kiew zu Gesprächen über eine Lösung der Krise erwartet. Ashton sagte dem "Wall Street Journal", die EU und die USA wollten der Ex-Sowjetrepublik mit einem Hilfspaket in einer Übergangsphase unterstützen. Während dieser Zeit könne eine Übergangsregierung wichtige politische und wirtschaftliche Reformen ergreifen und Präsidentenwahlen vorbereiten.

Die Einzelheiten eines möglichen Finanzhilfe-Pakets blieben aber zunächst unklar. Eine Sprecherin Ashtons machte in Brüssel keine Angaben über die Zielrichtung der Hilfe und die Zusammenarbeit mit den USA. Der ukrainische Außenminister Leonid Koschara sagte, sein Land habe bisher kein Kreditangebot aus Brüssel erhalten.

Die Führung in Kiew sowie Russland werfen der EU eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Das Außenministerium in Moskau kritisierte Klitschkos Aufruf zum Aufbau von Bürgerwehren scharf. "Wir erwarten, dass die ukrainische Opposition von Drohungen und Ultimaten Abstand nimmt und den Dialog mit der Führung über einen Ausweg aus der schweren Krise aktiviert", teilte das Außenamt mit.

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