Was bedeutet ein Zahlungsausfall der USA?

Im Haushaltsstreit zeichnet sich eine leichte Entspannung ab. Doch das Problem ist womöglich nur aufgeschoben.
von  zo
Das Kapitol in Washington im Abendlicht. Wenn sich die Parteien im Haushaltsstreit nicht einigen, geht hier ganz das Licht aus.
Das Kapitol in Washington im Abendlicht. Wenn sich die Parteien im Haushaltsstreit nicht einigen, geht hier ganz das Licht aus. © dpa

Trotz einiger Entspannungssignale: Der US-Haushaltsstreit ist noch nicht ausgestanden, nur verschoben

Washington - Was würde eine Insolvenz der USA bedeuten? Am drastischsten hat es Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain ausgedrückt: „Es gibt kein Leben nach einem Zahlungsausfall der USA“, sagte er. Aus Sorge vor der Krise war er am Wochenende extra nach Washington geflogen, wo sich die Chefs der größten Banken der Welt trafen.

Sein Kollege von der US-Bank JP Morgan Chase, Jamie Dimon, bemühte ebenfalls einen anschaulichen Vergleich: „Dagegen wäre der Lehman-Kollaps wie ein Spaziergang im Park.“ Was passiert, wenn die USA nicht mehr zahlen können? Die AZ erklärt’s.

Worum geht’s genau?
Weil sich Republikaner, vor allem die radikale Tea Party, und die Demokraten nicht auf einen Haushalt einigen konnten, gibt es derzeit keinen. Der so genannte „Government Shutdown“, also das Runterfahren wichtiger staatlicher Aufgaben, dauert seit 1. Oktober an. Staatsbedienstete sind im Zwangsurlaub, Museen, Parks und Behörden geschlossen.

Zusätzlich dazu rückt jetzt die so genannte Schuldenobergrenze näher. Auf diese Grenze mit Verfallsdatum hatte sich das Parlament schon vor einiger Zeit geeinigt, sie liegt bei 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro).

In der Vergangenheit war es so, dass die Schuldenobergrenzen – oft nach viel politischem Gerangel – doch immer weiter nach oben gesetzt wurden. Jetzt ist die Lage aber völlig verfahren: Die Tea Party will eine Art Exempel am angeblich ausgabenwütigen Staat statuieren und weigert sich, einer neuen Grenze zuzustimmen.

Die aktuelle Schuldenobergrenze wird am 17. Oktober, also am Donnerstag, erreicht. Problem: Anders als zum Beispiel bei der Schuldenbremse im deutschen Grundgesetz, die eine Disziplinarmaßnahme für die Zukunft darstellt, handelt es sich bei den amerikanischen Schulden um bereits ausgegebenes Geld. Und damit droht der Zahlungsausfall.

Was bedeutet der Zahlungsausfall?
Die Regierung muss Milliarden-Rechnungen bezahlen, für Rentner, fürs Militär, sie muss Zinsen für Kredite bedienen – aber sie darf ohne Kongress-Beschluss keine neuen Schulden aufnehmen. Deshalb wird ihr das Geld ausgehen.

Kommt der komplette Zahlungsausfall sofort?
Nein, Schätzungen zufolge hat der Finanzminister Jack Lew noch rund 30 Milliarden Dollar reales Geld in der Staatskasse. Das verleiht ihm rund zwei Wochen Atempause. Am 24. Oktober werden elf Milliarden Dollar Rentenzahlungen fällig, am 30. Oktober gibt’s Sozial- und Militärhilfe in Höhe von sieben Milliarden.

Und spätestens Anfang November könnten die USA dann Zinsen und Tilgungen für ihre Staatsanleihen nicht mehr leisten. Was sind die Folgen? Sollte der schlimmste Fall wirklich eintreten und der Donnerstag ohne Einigung verstreichen, würde der Vertrauensverlust sofort massiv auf die Weltwirtschaft durchschlagen.

Die Anleger würden weltweit in Panik geraten, Aktienmärkte und der Dollar würden ins Bodenlose stürzen – denn die wichtigste Staatsanleihe der Welt würde plötzlich als sicherer Anleger-Hafen wegfallen.

Die Ratingagenturen müssten die Bonität der USA abwerten – am Ende gar auf Ramsch-Status, wie Griechenland. In der Folge würden Pensionskassen und Fonds US-Staatsanleihen massiv abstoßen.

Die Risikoprämien auf US-Werte würden steigen – die USA könnten die Zinsen dann noch weniger bedienen. Schon jetzt hat die US-Konjunktur durch den Shutdown Schaden genommen.

Hat das auch Auswirkungen auf uns in Deutschland?
Auf jeden Fall – die Panik würde sich auch bei uns an der Börse niederschlagen, außerdem könnten Banken und Versicherungen, die US-Staatsanleihen halten, in Schieflage geraten und müssten womöglich wieder mit Staatsgeld gerettet werden. Eine weltweite, tiefgreifende Rezession droht.

Was wäre ein Ausweg?
Juristen in den USA debattieren über teils abenteuerliche Varianten. Unter anderem könnte US-Präsident Obama eigenmächtig neue Schulden aufnehmen. Als Grundlage gilt den Experten der 14. Verfassungszusatz von 1868 – er stammt noch aus der Zeit des Bürgerkriegs.

Darin ist festgelegt, dass die Kriegsschulden der Südstaaten nichtig sind, die Nordstaaten aber ihre Kriegsschulden immer bedienen werden. Die Nordstaaten seien mit den heutigen USA gleichzusetzen – und deshalb sei eine Schuldenobergrenze verfassunsgwidrig, Obama müsse sich nicht daran halten.

Finanzminister Lew könnte aber auch eine Gedenkmünze beliebigen Wertes prägen lassen. Dies erlaubt ihm ein Gesetz aus dem Jahr 1997. Er könnte also eine Münze im Wert von einer Billion Dollar prägen lassen – und bei der US-Notenbank als Sicherheit hinterlegen. Doch das Weiße Haus winkt hier stets ab. Auf solche waghalsigen Aktionen will man sich nicht verlassen. Was es braucht, ist ein wasserfester Parlamentsbeschluss. Der Kongress ist am Zug.

 

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