Wahl in Indien: Das Duell der beiden alten Herren

Ein bedächtiger Platzhalter (76) kämpft gegen einen radikalen Hindu-Hetzer (81): Indien, die größte Demokratie der Welt, wählt – ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen steht bevor. Einer Frau könnte die Schlüsselrolle zufallen.
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Sieht aus wie ein friedvoller Plausch, ist aber ein harter Machtkampf: Amtsinhaber Singh (r.), Herausforderer Advani.
AP Sieht aus wie ein friedvoller Plausch, ist aber ein harter Machtkampf: Amtsinhaber Singh (r.), Herausforderer Advani.

Ein bedächtiger Platzhalter (76) kämpft gegen einen radikalen Hindu-Hetzer (81): Indien, die größte Demokratie der Welt, wählt – ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen steht bevor. Einer Frau könnte die Schlüsselrolle zufallen.

NEU DELHI Eine Wahl der Superlative: Indien, größte Demokratie der Welt und aufstrebende Wirtschaftsmacht, bestimmt ab heute seine neue Regierung. Das Rennen ist völlig offen – vor allem das Duell zwischen den beiden etwas betagten Spitzenkandidaten Manmohan Singh (76) und Lal Krishna Advani (81).

Die Wahl. Auf kaum etwas sind die Inder so stolz wie auf ihre Rolle als größte Demokratie der Welt – stabil und gefestigt seit der Unabhängigkeit 1947. Eine Wahl der 714 Millionen Abstimmungsberechtigten zu organisieren ist allein schon eine logistische Herausforderung: Das sind mehr Wähler als die sämtlicher EU-Länder, der USA und Russland zusammen. Damit alle teilnehmen können, wird der Urnengang auf fünf Tage verteilt: Heute ist der erste, am 14. Mai ist der letzte.

Der Amtsinhaber. Als die linksliberale Kongresspartei vor fünf Jahren überraschend einen Erdrutschsieg holte, galt Manmohan Singh als Verlegenheitslösung – weil die eigentliche Spitzenkandidatin Sonia Gandhi wegen ihrer italienischen Herkunft von Hindu-Nationalisten zum Verzicht gemobbt wurde. Doch der Mann mit dem blauen Turban und dem weißen Rauschebart – der erste Sikh in diesem Amt – schaffte sich Anerkennung: Der Finanzexperte, der es vom armen Bauernsohn zu einem Stipendium in Oxford gebracht hat, gilt als absolut unbestechlich, bescheiden, loyal und besonnen. Nach den Terroranschlägen von Bombay ignorierte er alle Rufe nach Vergeltung und setzte auf Dialog. Sein Manko: Singh gilt als klare Marionette des Gandhi-Clans, der selbst nicht besonders durchsetzungsfähig ist. Trotz einer schweren Herz-Operation tritt der 76-Jährige nochmal an – womöglich als Platzhalter für Sonia Gandhis Sohn Rahul (39).

Der Herausforderer. Lal Krishna Advani (81). Das Alter ist die einzige Ähnlichkeit zwischen den beiden Konkurrenten: Advani ist das genaue Gegenprogramm zu dem bedächtigen Reformer. Der Frontmann der hindu-nationalistischen BJP gilt als radikal und rücksichtslos. Viele Jahre hat er sein Image als Hardliner gepflegt, fiel durch seine anti-muslimischen Hass-Reden auf und galt als treibende Kraft beim Abriss der Ayodhya-Moschee 1992 und den folgenden Unruhen mit mehreren tausend Toten. Seit seiner fulminanten Wahlniederlage vor fünf Jahren bemüht er sich um einen moderateren Stil.

Das Zünglein an der Waage. Weil die Umfragen ein Patt zwischen den beiden großen Blöcken sehen, könnte einer Frau die Schlüsselrolle zufallen: Mayawati. Wie viele Mitglieder ihrer Kaste der Dalit (früher: die Unberührbaren) führt sie nur einen Namen. Seit 1995 regiert sie Uttar Pradesh, Indiens größten Bundesstaat mit 200 Millionen Einwohnern. Jetzt strebt sie nach einer neuen Bühne. Für die Ärmsten ist sie eine Ikone, andere sehen sie mit Skepsis – wegen ihrer bescheidenen politischen Bilanz und wegen ihres Hangs zu teuren Extravaganzen. Ihre Anhänger feiern sie auch dafür: Sie sehen darin ein neues Selbstbewusstsein der ärmsten Kaste.

Die Lage. Indien steht wirtschaftlich gut da. Von der Krise blieb es vergleichsweise verschont, auch dank der strengen Kontrolle über den Finanzsektor. Zwar halten sich ausländische Investoren nun stärker zurück, auch die Exporte hatten Einbußen – aber der enorm große heimische Markt gleicht vieles aus. Das Wirtschaftswachstum wird für heuer auf sechs bis sieben Prozent prognostiziert – im Schnitt der letzten fünf Jahre lag es bei 8,5. Angesichts dessen, dass viele andere Länder schwächeln, rechnet sich das aufstrebende Indien durchaus Chancen aus – und jetzt klärt sich, wer es dann führt.

tan

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