Vorsicht, Harmonie!
Der Vize-Chefredakteur der AZ Georg Thanscheidt über das Renten-Gefälle in Europa.
Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel Europa als Aktionsfeld entdeckt, ist Vorsicht geboten: Entweder sie will einen Sündenbock finden oder den Schwarzen Peter nach Brüssel weiterschieben. Beim Thema „Wie viel Rente bekommen andere EU–Bürger?“ ist beides der Fall: Auch das Zaudern von Frau Merkel hat die Rettung Griechenlands verteuert. Statt nun geeignete Instrumente und Kontrollmechanismen einzuführen, verliert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in Einzel-Vorschlägen. Weil aber über solche brillanten Ideen wie den Verkauf von Kreta oder die Privatisierung der Akropolis schon debattiert worden ist, entdeckt Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema „Renten in Europa“.
Betrachtet man die nackten Zahlen – deren Richtigkeit gerade im Fall Griechenland zweifelhaft ist – muss man Merkel recht geben: Für ein wirtschaftlich schwaches EU-Land wie Griechenland sind dort die Renten- und Pensionsansprüche ungebührlich hoch. Aber was will Frau Merkel damit erreichen? In die griechische Innenpolitik wird sie sich kaum einmischen wollen. Also geht es ihr um eine europäische Lösung.
Und da schweben nationalen Politikern stets immer nur eine Lösung vor – sie nennen sie Harmonisierung. Die verläuft nach zwei möglichen Mustern: Entweder das größte gemeinsame Vielfache – wie bei der Mehrwertsteuer: Niedrige nationale Sätze werden europaweit auf ein möglichst hohes Maß angehoben. Oder der kleinste gemeinsame Nenner – wie in der Sozialpolitik: Dann droht ein Renten-Niveau nach portugiesischem Vorbild.
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