Von der Leyens Stoppschild für Kinderpornos: Schutz ohne Wirkung?
BERLIN - Deutschlands Internet-Anbieter sperren Kinderporno-Seiten. Familienministerin Ursula von der Leyen lässt sich als Kämpferin gegen Kindesmissbrauch feiern. Doch Kritiker erwidern, die Netz-Blockade sei leicht zu umgehen. Und sie werfen der Ministerin Zensur vor.
Für Ursula von der Leyen ist die Sache klar: „Kinderpornografie im Internet ist Vergewaltigung von Kindern vor laufender Kamera.“ Und: „Es ist das schiere Grauen.“ Der vergangene Freitag war für die deutsche Familienministerin ein großer Tag: Fünf große Internet-Anbieter haben mit der Bundesregierung und dem Bundeskriminalamt (BKA) einen Vertrag abgeschlossen. Darin verpflichten sich die Unternehmen, den Zugang zu Kinderporno-Seiten zu sperren. Die Initiative ruft aber Proteste hervor: Die einen sehen das Instrument als wirkungslos an, die anderen bezeichnen die Sperr-Aktion als Zensur. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.
Wie läuft die Sperrung der Kinderpornos ab?
Das BKA erstellt täglich eine Liste von etwa 1000 Kinderporno-Seiten im Netz und übermittelt sie an die Internet-Provider Telekom, Vodafone/Arcor, Alice, Kabel Deutschland und Telefonica O2, die 75 Prozent des Internet-Marktes vertreten. Die Firmen blockieren den Zugang zu den Webseiten. Wenn ein Nutzer versucht, eine gesperrte Seite aufzurufen, erscheint ein großes Stopp-Zeichen. „Das ist die letzte Warnung – ab hier macht man sich strafbar“, sagt BKA-Chef Jörg Ziercke. In Deutschland werden täglich bis zu 450000 Seiten mit Kinderpornos angeklickt.
Darf der Staat einfach so sperren?
Nein, dafür muss das Telemediengesetz geändert werden. Das hat das Kabinett bereits Ende März beschlossen. Die Gesetzesänderung soll noch vor September erfolgen. Spätestens dann werden die Internet-Anbieter die Seiten sperren. Dann können auch die anderen Firmen, die jetzt nicht mitmachen, zur Kinderporno-Blockade gezwungen werden.
Ist die Sperrung wirkungsvoll?
Nein, sagt Matthias Mehldau vom Chaos Computer Club. „Solche Filtermaßnahmen lassen sich leicht umgehen.“ Die Anbieter von Kinderpornos müssen lediglich ihre Internet-Adresse minimal ändern, schon ist der Filter ausgetrickst. Auch für die Nutzer gibt es ein Schlupfloch: Jede Internet-Adresse wird in eine IP-Adresse übersetzt, die nur aus Zahlen besteht. Wenn die Nutzer nur den Zahlen-Code eingeben, kommen sie nach wie vor auf die Seite.
Woher kommen die Zensur-Vorwürfe?
Am Freitag gab es in Berlin eine Demo gegen von der Leyens Sperr-Initiative. Die Demonstranten trugen Schilder mit der Aufschrift „Zensur ist Täterschutz“ oder „Für wirksamen Kinderschutz – gegen Zensur“. Alvar Freude vom Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft sagt: „Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornografie sind wirkungsloser Aktivismus zu Wahlkampfzeiten.“
Er befürchtet, dass die Sperren den „Einstieg in Internet-Sperren nach chinesischem Muster“ markieren. „Es ist naiv zu glauben, dass einmal eingeführte Sperr-Systeme in Zukunft nicht für andere von einzelnen Interessengruppen unerwünschte Inhalte genutzt werden.“ Ministerin von der Leyen erwidert: „Das Internet ist eine faszinierende Welt, es ist aber kein rechtsfreier Raum.“
Welche Alternativen gibt es zu dem System?
Der Chaos Computer Club fordert, bei den Anbietern von Kinderpornos anzusetzen: Die Kriminellen sollen ihre Porno-Inhalte aus dem Netz nehmen.
In welchen Ländern gibt es schon Sperren?
Zum Beispiel in den USA, Italien, Großbritannien, der Schweiz, Schweden und Finnland. In Norwegen werden täglich etwa 18000 und in Schweden rund 50000 Zugriffe auf kinderpornografische Seiten verhindert.
vth