„Verpiss dich aus meinem Land!“

Nationalstolz spielte im Kampf um den EU-Austritt eine große Rolle. Nach dem Brexit-Votum werden etliche Briten rassistisch angegriffen oder beschimpft – und oft sind Muslime eine Zielscheibe
Gioia Forster |
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Muslime gehen in Whitechapel in London an einem Markt vorbei. In diesem Stadtteil wurde Esmat Jeraj rassistisch beschimpft.
Muslime gehen in Whitechapel in London an einem Markt vorbei. In diesem Stadtteil wurde Esmat Jeraj rassistisch beschimpft.

Es sind die Tage nach dem Brexit-Votum. Esmat Jeraj läuft durch Whitechapel, einen Stadtteil im Osten Londons. Als Muslimin mit Kopftuch sticht die Britin in dem multikulturellen Bezirk keineswegs heraus. Ein Mann läuft an ihr vorbei. „Verpiss dich aus meinem Land!“, ruft er ihr zu. Sie ist schockiert. Solch eine Beschimpfung, ausgerechnet hier, in Whitechapel, wo knapp 43 Prozent der Bewohner Muslime und etliche Nationalitäten vertreten sind. Sie weiß nicht, wie sie reagieren soll. Dann ist der Mann verschwunden. So beschreibt die 26-Jährige den Vorfall. „Als ich darüber nachdachte, war ich unglaublich wütend.“

Wut, Schock, Fassungslosigkeit – Hunderten Briten ging es in den Tagen nach der Brexit-Abstimmung am 23. Juni wohl ähnlich. Die Polizei in Großbritannien verzeichnete in der zweiten Junihälfte 3076 sogenannte Hassverbrechen, fremdenfeindliche Übergriffe, 42 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Unter den Opfern waren etliche britische Muslime. Der Spruch „Hau ab nach Hause“ kommt besonders oft vor, wie der britische Rat der Muslime beobachtet hat.

„Das Brexit-Lager hat unter den Wählern Angst geschürt“

„Es scheint, das Ergebnis des Brexit-Votums hat rassistische und feindliche Kommentare in gewisser Weise legitimiert“, meint Jeraj. Das Thema Zuwanderung war eines der wichtigsten Schlachtfelder, auf denen der Kampf um den EU-Austritt Großbritanniens ausgetragen wurde. Vor allem die Brexit-Befürworter nutzten provokative Aussagen, Plakate und Sprüche und setzten auf den Nationalstolz der Bevölkerung. „Das Brexit-Lager hat mit dem Zuwanderungsthema unter den Wählern Angst geschürt und somit Stimmen gesammelt“, sagt Pola Uddin, Mitglied des britischen Oberhauses und Muslimin.

Der Mann, der die 26-jährige Jeraj auf der Straße in Whitechapel beschimpfte, hatte sich klar die Falsche ausgesucht. Die junge Aktivistin und Mitarbeiterin der Organisation Citizens UK wehrte sich. Sie ging zur Polizei, twitterte von ihrer Erfahrung, trat in den Medien auf und organisierte eine Kampagne gegen Hassverbrechen. Doch der Vorfall hat die selbstbewusste Britin mit indischen Wurzeln, die gegen den Brexit gestimmt hat, bestürzt. An Beleidigungen und Witze wegen ihres Kopftuches und ihrer Religion sei sie inzwischen gewöhnt, erklärt sie. „Aber dass jemand sagt, ich soll aus meinem Land verschwinden – das ist schockierend.“

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