US-Kongresswahlen: Obamas Schicksalswahl
WASHINGTON - Am Dienstag geht Amerika an die Urnen – nach allen Umfragen droht den Demokraten des Präsidenten eine drastische Niederlage. Die Lichtgestalt ist zum Sündenbock für quasi alles geworden.
Fast kläglich klingt er dieser Tage: „Ihr müsst weiter glauben, ihr müsst weiter hoffen: Das ist wichtig für mich“, flehte Barack Obama im Wahlkampf. In der Tat: Heute sind Kongresswahlen – und es sieht nicht gut aus für den ersten schwarzen Präsidenten, der vor zwei Jahren als Lichtgestalt angetreten war. Womöglich verlieren seine Demokraten die Mehrheit in beiden Häusern, seine Politik wäre damit kaum noch durchsetzbar.
„Sie haben es vermasselt, Präsident Obama. Wir haben Ihnen zwei Jahre gegeben, um Ihre Versprechen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, zu erfüllen“, ätzte Sarah Palin, Wortführerin der Republikaner, gestern genüsslich. Obama hielt auf seiner Schlusskundgebung dagegen: „Es war schon immer schwer, die Dinge zu verändern.“
In der Tat: Die Quittung werden seine Demokraten heute an den Urnen bekommen, alle Umfragen sagen den Republikanern auf jeden Fall im Kongress, vielleicht auch im Senat Erdrutschsiege voraus. Ein Teil der Probleme ist hausgemacht, räumen Parteistrategen ein: Obama ist mit so einer messianischen Überhöhung ins Amt gegangen, dass enttäuschte Erwartungen vorprogrammiert waren.
Vieles aber entlädt sich in einem teils bizarren Hass auf Obama, das mit ihm nur wenig zu tun hat: die Angst der Amerikaner vor dem Abstieg und die Wirtschaftskrise, die in den USA noch immer weit verheerendere Folgen hinterlassen hat als in Deutschland. Er wird als Kombination aus Hitler, Marxist und islamistischer Terrorist stilisiert – ein krudes Feindbild, dass man für alles verantwortlich machen kann, von Abtreibungen bis Zwangsversteigerungen. Ein zutiefst verunsichertes Land – zwei Drittel aller Amerikaner glauben, dass sie ihren Lebensstandard nicht halten können – hat einen Sündenbock gefunden. Befeuert wird die Stimmung von mächtigen konservativen Medien, gerne genutzt von radikalen und teils skurrilen Figuren der rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung (Kasten). Viele Demokraten kommen kaum mehr nach mit Rechtfertigungen, nein, sie seien keine Kommunisten.
Der Konflikt mit seinen absurden Blüten hat sich schon so zugespitzt, dass zu einer Demo am Wochenende in Washington mehr als 200000 Menschen kamen, darunter Promis wie Sheryl Crow. Forderung der Veranstaltung, die TV-Komiker Jon Stewart organisiert hat, war: „Stellt die Vernunft wieder her!“
Die Mehrheit im Kongress dürfte für Obama wohl dennoch dahin sein. Allerdings riet ihm sein Vorvorgänger Bill Clinton nun: „Entspann’ dich. Das war bei mir genauso.“ Auch Clinton war nach seinem Triumph 1992 bei den Midterm-Wahlen zwei Jahre später massiv abgestraft worden. Er band die Republikaner dann ein, kooperierte mit ihnen – und wurde 1996 klar wiedergewählt. tan
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