Untersuchungen mit Risiko

Ultraschall-Befunde, die zu unnötigen Operationen führen, Röntgenbilder, die außer Strahlung nichts bringen – Millionen Menschen lassen sich Experten zufolge zu Angeboten ohne Sinn überreden
Basil Wegener |
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Der Arzt ist eine Vertrauensperson, doch nicht jeder Behandlungsmethode sollte der Patient zustimmen, ohne sie zu hinterfragen.
Der Arzt ist eine Vertrauensperson, doch nicht jeder Behandlungsmethode sollte der Patient zustimmen, ohne sie zu hinterfragen.

Volkskrankheit Rückenschmerzen – sitzt man als akut Betroffener beim Orthopäden und kann sich kaum bewegen, ist man über jede Hilfe froh. Oft lässt der Arzt den Patienten erstmal röntgen, schließlich soll kein Knochenschaden als mögliche Ursache unentdeckt bleiben. Doch wie bei vielem anderen, was Patienten mit sich machen lassen – das Risiko ist dabei meist größer als der Nutzen.

In einer einschlägigen Untersuchung wurden Rückenschmerz-Patienten mit und ohne Röntgen-Untersuchung verglichen. Das Ergebnis: Nach neun Monaten hatten von denen mit Röntgenbild immer noch 65 Prozent einen anhaltenden Schmerz – und nur 57 Prozent von denen ohne solches Bild.

Die Röntgenaufnahme bringt dem Arzt äußerst selten Informationen über seine Untersuchung und Befragung hinaus. Solche Untersuchungen fördern höchstens meist kleinere Abnutzungen zutage, die Patienten zusätzlich verunsichern können.

Aber auf Röntgenstrahlen und Computertomographie gehen jedes Jahr geschätzt rund 2000 Krebserkrankungen in Deutschland – bezogen auf alle Körperregionen – zurück. Angezeigt ist Röntgen bei Schmerzen nach Unfällen oder Verletzungen.

Es ist eines von mehreren Beispielen, bei denen die AOK leicht verständliche Informationen nach aktuellem wissenschaftlichen Stand über Diagnosen und Therapien bereithalten will: Seit Dienstag sind „Faktenboxen“ online.

Ähnliche Infos stellt etwa die Bertelsmann Stiftung bereit sowie das zur Max-Planck-Gesellschaft gehörende Harding-Zentrum, das auch die AOK-Boxen entwickelte.

Nun fehlt es insgesamt allerdings nicht an Gesundheitsinformationen im Netz, in Medien und direkt beim Arzt oder Apotheker – was sollen also diese Angebote?

Stoßwellen gegen den Tennisarm? „Kaum Nutzen“, so die AOK

Wolf-Dieter Ludwig hält kritische, unabhängige Hinweise auf Nutzen und mögliche Schäden für unbedingt nötig – und bisher eher rar gesät. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft spricht von einem bisher vorherrschenden „Monopol der Desinformation“.

Aus seiner Sicht haben Hersteller von Artzney und Medizinprodukten zu viele Möglichkeiten, den Patienten zu ihren Produkten zu überreden – oft über Mediziner, die der Pharma-Industrie wenig kritisch gegenüberstünden.

Beispiel Ultraschall zur Früherkennung von Eierstockkrebs. Verglichen wurden in einer Untersuchung Frauen mit und ohne eine solche Früherkennung, die als Selbstzahlerleistung vom Arzt angeboten wird. Von jeweils 1000 Betroffenen starben jeweils drei. Das Risiko, an der Krankheit zu sterben, verringert sich durch Ultraschall also offenbar nicht.

Beispiel Prostata-Früherkennung durch PSA-Test und Tastuntersuchung. Auch hier ist laut Harding-Zentrum das Ergebnis niederschmetternd – die Todeszahlen sind der Gruppe mit und ohne Früherkennung gleich. Allerdings zeigt die Darstellung, dass von 1000 Männern mit Früherkennung 160 nach einer Gewebe-Entnahme erfahren, dass das Testergebnis ein Fehlalarm war. 20 von 1000 werden fälschlicherweise behandelt, etwa durch eine OP oder eine Strahlentherapie.

Beispiel Stoßwellen gegen Schmerzen im Ellbogen – den so genannten „Tennisarm“. Kaum Nutzen, urteilt die AOK.

Was Angebote wie die Faktenboxen versprechen, ist eine Kombination aus wissenschaftlicher Expertise und knapper, klarer Darstellung. Medizinische Fachausdrücke, die Laien mehr verwirren als aufklären, sind tabu.

Entwickelt wurde die Form in den USA. Doch zu den Patienten seien die Faktenboxen dort noch nicht gelangt. „Sie werden von etlichen Interessengruppen bekämpft.“ In der AZ werden wir über die „Faktenboxen“ auf dem Laufenden halten.

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